Volltext: Geschichte der bildenden Künste im Mittelalter: Die Spätzeit des Mittelalters bis zur Blüthe der Eyck'schen Schule (Bd. 6 = [2], Bd. 4)

Nationale 
Reaction. 
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Aber gerade dadurch wurde der Eifer der Meister um so mehr 
erregt, die Mannigfaltigkeit der Formen vermehrt, und selbst die 
Theilnalnne der Laien gesteigert. Es entstand daher wirklich ein 
Baueifer, der einigermassen an den der französischen Nation in 
der vorigen Epoche erinnert. 
Freilich wurde er hier nicht wie dort von allen Ständen ge- 
theilt; Fürsten und Adel vergendeten ihre Kräfte in kleinlichen 
Fehden, auch fehlte ihnen meistens der feinere Sinn, der selbst 
zur Aufnahme und Förderung der Kunst erforderlich ist.' Die 
Geistlichkeit schwankte muth- und rathlos zwischen den beiden 
grossen Gewalten. N ur die Städte standen aufrecht. Der Schwer- 
punkt geistiger und materieller Macht war ganz bei ihnen, Ord- 
nung, gute Sitte, geistiges Streben wurden nur in ihren Mauern 
gefunden, selbst die Religiosität dieser Zeit hatte in ihnen ihren 
Hauptsitz, und die Meister der Kunst fühlten sich als Mitglieder 
städtischer Zünfte. Nur von den Städten konnte daher die Kunst 
Pflege und Förderung erwarten und wirklich fand sie sie in sehr 
ausgedehntem Maasse. Der Zuwachs der Bevölkerung erheischte 
neue, geräumige Kirchen, das blühende Gewerbe gab die Mittel 
und steigerte die Wünsche, und bald wetteiferten die grossen und 
selbst die aufstrebenden kleinen Communen, riesige Kirchen als 
Denkmäler ihrer Frömmigkeit und zugleich ihrer Macht zu errich- 
ten. Auch bei dem Baueifer der vorigen Epoche in Frankreich 
hatte städtischer Patriotismus mitgewirkt, aber doch nur in zwei- 
ter Linie; nur die bischöflichen Städte hatten sich zu solcher Blüthe 
erhoben, nur unter der Leitung des höhern Klerus schritten sie 
ans VVerk. In Deutschland fiel die Blüthezeit der Städte nicht mit 
der der bischöflichen Gewalt zusammen; diese hatte als solche 
ihre Höhe unter dem Schutze des kräftigen Kaiserthums gehabt, 
und war jetzt entweder gesunken oder hatte doch einen ganz an- 
deren Charakter, den landesherrlichen, angenommen. Nicht unter 
dem Schutze, sondern im Kampfe mit den Bischöfen waren unsere 
Städte gross geworden. Daher erscheinen unsere Kathedralen, 
während die nordfranzösischen sämmtlich gothisehen Styles sind, 
meistens in der schlichten, imposanten Grösse des romanischen; 
wenige sind gothischer Anlage des dreizehnten Jahrhunderts, nicht 
viel mehr als zwei oder drei des vierzehnten. Die Gothik musste
	        
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