Einleitung.
Ordnung. Man sagte sich immer lauter in allen Ländern,
dass Avignon, der Sitz des Oberhauptes der Christenheit, auch
die hohe Schule des Lasters sei de]. Mehr und mehr lösten
sich die Bande der Disciplin, und endlich standen und zwar
lange Jahre hindurch, zwei Päpste einander feindlich gegen-
über. Die Einheit der Christenheit war augenblicklich ge-
brochen, bleibend gefährdet.
Auch das Kaiserthum war längst nicht mehr der Re-
präsentant dieser Einheit. Zwar standen zum Theil kräftige
und begabte Fürsten, wie Heinrich VII. und Karl IV an
der Spitze des Reiches, aber den Anspruch auf die Schirm-
herrschaft des apostolischen Stuhles und auf die erste Stelle
der weltlichen Christenheit gaben sie mehr und mehr auf, um
sich in die bescheidenere Stellung einer bedingten Oberherr-
schaft über die deutschen Landesherrexi zurückzuziehen
Die Kaiserkrone diente ihnen nur als Mittel zur Begründung
einer I-Iausmacht, lllld wenn sie zuweilen noch die Rolle des
obersten Richters zwischen den Nationen spielten, so war dies
wirklich nur ein theatraliseher Pomp, der mit ihrer Schwäche
arg contrastirte und dem Niemand ernste Bedeutung beilegte.
Wegen der inneren Verbindung des Kaiserthums mit dem
Papstthume war der Verfall der Kirche für Deutschland be-
sonders verderblich; zwiespaltige Königswahlen, Streit und
Parteiung zwischen den einzelnen Machthabern und selbst im
Inneren der Städte, nie endende Fehden, Verwirrung und
Jammer aller Art waren die Folgen. Frankreich und England
i] Petrarca in vielen Stellen seiner Briefe. Es ist stehend, dass er
Avignon als Babylon bezeichnet und apokalyptische Bilder darauf anwendet.
Mitto, sagt er einmal, stnpra, raptns, ineestus, adnlteria, qui jam Ponti-
ficalis lasciviae ludi sunt. Veritas, heisst es an einer andern Stelle, ibi
dementia est, abstinentia rnsticitas, pndicitia prnbrnm ingens, deniqne pec-
candi licentia magnanimitas et libertas eximia (vergl. Opp. Basileae 1554.
Vol. II, p. 805 Obgleich mit rhetorischer Uebertreibung ausge-
drückt, sind es die Ueberzengungen eines besonnenen, frommen Mannes.
w) Sed hodie adeo depressa est imperialis potestas, nt magis hono-
retur ac vereatut etiam a maximo usque ad minimum aiiquis capitanens
gentium armigerornm in Italia, qnam imperator vel rex Romanornm. Petr.
da Alliaco, de necessitate reformationis, bei v. d. Hardt. Tom. I, part. 2,
S. 322.