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Perpendicular-Styl.
pendicularen Maasswerk verwandte Zeichnung erhielt. Die con-
structive Eigenthiimlichkeit dieser Wölbungsart besteht darin,
dass sie nicht mehr auf einzelnen Rippen von verschiedener Länge
und Biegung ruhet, sondern dass die gesammte, von demselben
Kapitale aufsteigende Gewölbmasse eine trichterförmige (jedoch
nicht geradlinig, sondern in einem Bogen und natürlich in einem
hohlen Bogen hinaufgeführte) Erweiterung erhält, mithin die
Hälfte eines kegelartigen Körpers (Konoid) und im Durchschnitt
stets einen Halbkreis bildet. Diese trichterförmigen Gewölb-
massen sind dann nach oben bis dahin hinaufgeführt, dass sich
die beiden gegenüberliegenden mit dem äussersten Punkte ihrer
halbkreisförmigen Ausladung berühren und hier im Scheitel des
Gewölbes und in der Mitte zwischen je vier solchen Wölbungen
ein sphärisches Viereck übrig bleibt, welches nicht mehr gewölbt
ist, sondern einen flachen Spiegel bildet und von dessen vier
Spitzen zwei in der Längenachse liegen, die beiden anderen aber
die Spitze des Schildbogens erreichen. Die Scheitelrippe fallt
daher hier fort, starke Rippen sind überhaupt nicht anwendbar,
und die Phantasie des Meisters hat volle Freiheit, durch das
Stabwerk seiner Wölbung den Gedanken des Ausstrahlens, des
allmäligen Divergirens mehrerer von einem Punkte ausgehender
Linien darzustellen. Da indessen die der Enge des Gewölbanfan-
ges entsprechende Zahl der Rippen zu gering war, um bei der
oberen Ausdehnung dem englischen Begriffe von decorativem
Reichthume zu genügen, so verband man die aufsteigenden
Rippen von Zeit zu Zeit durch Spitzbögen oder horizontale Bän-
der, von denen dann Zwischenrippen aufstiegen, wodurch man
eine reiche, dem Schema des perpendicularen Maasswerks sehr
verwandte Decoration erlangte. Freilich ist dadurch der letzte
Ueberrest der kräftigen Lebendigkeit des Kreuzgewölbes ver-
tilgt; wir sehen statt individueller Glieder ein unterschiedloses,
gleichmässiges Aufwachsen der ganzen Pfeilermasse. Aber der
elastische Aufschwung dieser Massen verbunden mit der Eleganz
und Mannigfaltigkeit der darauf angebrachten Linien und Figu-
ren hat doch einen nicht abzuleugnenden Reiz, welcher die mei-
sten Beschauer entzückt, Wenn auch ein an architektonische
Strenge gewohntes Auge die einfacheren Formen der früheren