Volltext: Geschichte der bildenden Künste im Mittelalter: Die Spätzeit des Mittelalters bis zur Blüthe der Eyck'schen Schule (Bd. 6 = [2], Bd. 4)

Die 
Kathedrale 
VOI] 
Winchester. 
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eine so durchgeführte Einheit des Inneren erlangt, wie sie der 
frühere gothische Styl nicht kannte, freilich auch nicht forderte. 
Wer das Gebäude mit dem Auge des Architekten prüft, wird 
mit Erstaunen bemerken, wie sehr Wykeham die Rücksiehten 
der Schönheit und der Sparsamkeit zu vereinigen gewusst hat. 
Das alte Mauerwerk ist soviel wie möglich benutzt, selbst die 
Arbeit des Fortbrechens hat er, wo es anging, erspart; die Fen- 
ster haben dieselbe Breite, das Mittelschiff des Langhauses hat 
nach wie vor bei der gewaltigen Länge von elf Arcaden und einer 
Breite von mehr als 40 engl. Fuss nur '78 Fuss Höhe. Aber die 
Erhöhung und helle Beleuchtung der Seitenschiife und die Glie- 
derung der Pfeiler geben diesem niedrigen Raume den Ausdruck 
leichten Aufschwunges, und das Ganze, obgleich durch so 
vielfache Rücksichten bedingt, erscheint wie aus einem Gusse 
entstanden. 
Im Aeusseren bemerkt man allerdings die Zusammensetzung 
verschiedenartiger Theile, und die Facade, ein Durchschnitt der 
drei Schiffe mit einem langweilig kolossalen Fenster und einer 
bedeutungslosen niedrigen Vorhalle, verdient Wenigstens kein 
grosses Lob. Dagegen kann man den englischen Schriftstellern 
wohl beistimmen, wenn sie das Langhaus in seiner Innenansicht 
für das schönste in England erklärenf]. Freilich darf man nicht 
mit Ansprüchen herantreten, die aus fremden Anschaulmgen ent- 
lehnt sind. Den ernsten, lebensvollen Organismus der früheren 
französischen Kathedralen, die schlichte Grossartigkeit der deut- 
sehen Hallenkirchen dürfen wir hier nicht suchen, das poetische 
Element kühnen, rücksichtslosen Aufstrebens ist sehr gedämpft. 
Selbst gewisse Eigenthümlichkeiten der früheren brittischen 
Kunst mögen wir vermissen; die trotzige Kraft, die frische oft 
eigensinnige Originalität haben einer Besonnenheit Platz gemacht, 
die im Vergleich damit fast allzu verständig und kühl erscheint. 
Der Eindruck ist ein vollkommen eigenthümlicher, wir wissen 
kaum, ob wir noch auf dem Boden des Mittelalters stehen oder 
nicht. Zwar sehen wir noch Formen und Verbindungen, die 
ihren Ursprung aus dem gothischen Style nicht verkennen lassen, 
aber der Ausdruck ist ein so gemilderter, wie wir ihn an diesem 
f] Britton, Cath. Antiqu. III, 75.
	        
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