Schlosskapelle
VOll
Westminster.
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Stützen ein künstlich gebildetes, aufsteigendes Hängewerk, wel-
ches schon an sich sehr malerisch wirkte und überdies durch
Schnitzwerk, Malerei und Vergoldung auch den Zwecken der
höchsten Pracht angepasst werden konnte. Dies geschah aller
Wahrscheinlichkeit nach schon um die Mitte des Jahrhunderts
und zwar an einem Gebäude ersten Ranges, nämlich an der St.
Stephanskapelle im Schlosse von Westminster, deren noch
vorhandene Rechnungen beweisen, dass König Eduard III. keine
Kosten sparte, um sie durch die besten Künstler seiner Zeit in
edelster und reichster Weise schmücken zu lassen. Leider können
wir von diesem vielleicht glänzendsten Werke seiner Regierung
nicht aus eigener Anschauung urtheilen; seit dem Jahre 1550
zum Parlamentssaal dienend und dadurch in ihrem Inneren be-
kleidet und entstellt, ist die Kapelle nach dem Brande des Jahres
1834 völlig verschwunden, so dass wir nur Beschreibungen und
Restaurationen von zweifelhafter Zuverlässigkeit besitzenß).
Nur soviel steht fest, dass auch diese Schlosskapelle, wie die
Sainte-Chapelle von Paris und viele andere, eine doppelte war;
das untere Stockwerk von mässiger Höhe aber doch mit vier-
theiligerx Fenstern war mit reichem Rippengewölbe versehen,
dagegen das obere, der eigentliche Prachtbau, zwar hoch und
überaus leicht, mit grossen Maasswerkfenstern und reichem
Schmuck von Arcaden und Stabwerk, aber nur mit hölzerner
Bedeckung, die wir nicht näher kennen, die aber wahrscheinlich
von der eben beschriebenen Art war. Diese Decken mussten inso-
fern einen Einfluss auf die weitere Entwickelung der Bauweise
haben, als sie, wenn auch auf gekrümmten Streben ruhend, doch
im Wesentlichen rechtwinkelige Verbindungen ergaben, mit
denen die bisher vorherrschende Bogenlinie nicht harmonirte.
Dazu kam denn ein anderer Umstand. Im Laufe dieser
Epoche hatte sich die Vorliebe für kolossale Fenster zunächst an
der Facade und der Schlusswand des Chores, dann aber auch an
den Kreuzseiten so gesteigert, dass man überall die älteren klei-
neren, etwa lancetförmigen Fenster durch kolossale, von reichem
Maasswerk gefüllte, wenigstens siebentheilige Oetfnungen er-
"Ü E. Wedlake Brayley and Britton, the hist. of the ancient palace etc. at
Westminster. Fergusson Handbook II, p. 870. Wiebeking III, Taf. 91.