Volltext: Geschichte der bildenden Künste im Mittelalter: Die Spätzeit des Mittelalters bis zur Blüthe der Eyck'schen Schule (Bd. 6 = [2], Bd. 4)

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Zlll" 
Balkendecke. 
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Dies erkennen wir auch an den Monumenten; selbst in den eben 
geschilderten, phantasievollsten Werken zeigen sich die ersten 
Spuren dieser Ermattung und Nüchternheit. Im Anfange der 
Epoche fanden wir die noch mässige Ornamentation durch eine 
Menge von anziehenden und geistvollen Sculpturen belebt; wo 
inn- irgend Raum ist, drängen sich charakteristische Büsten, kleine 
dramatisch bewegte Gruppen hervor. Je mehr die Sucht des 
Schmuckes steigt, desto mehr versclnvintlcn diese individuellen 
Aeussernngen der Plastik; als man dahin gekommen, die ganze 
VVand zu bedecken, haben sie ganz aufgehört, man giebt nur 
gleichgültige Linienspiele. Um so empfindlicher wurde das Auge 
dann aber wieder für die 'l'otalwirkung dieser Decoration, und 
da konnte es denn nicht ausbleiben, dass man den Mangel an 
innerer [Tebereinstimmung fühlte und sich von der herrschenden 
YVillkür zu befreien suchte. 
Mehrere Umstände gaben dieser Reaction eine bestimmtere 
Richtung. Die Consequenz des gothischen Styls hatte eine Zeit- 
lang dahin geführt, dass man auch in England das V ert-icale in 
der Gliederung und Formbildtlng stärker betonte; die Kathedrale 
von York hatte darin das Höchste geleistet. Aber sonderbarer 
Weise giebt selbst diese Kathedrale den Beweis, dass der go- 
thisehe Styl in der Bedeutung, die er auf dem Continente hatte, 
in England nicht gedeihen konnte. Denn während dort der 
Grundgedanke des Styls in der Herstellung eines hohen, luftigen 
und soliden Steingewölbes bestand, hatte man in England die 
insulare Vorliebe für den Holzbau nie ganz verloren. Selbst an 
den Steingewölben können wir in der Häufung der Rippen und 
in ihrer über das Maass constructiver Nothwendigkeit hinaus- 
gehenden Stärke eine Reminisceilz der Balkendecke erkennen. 
Es ist als ob man sich instinctmässig" die Rückkehr zur Holz- 
decke offen gehalten habe. Daher beginnt denn jetzt, nachdem 
der erste Eifer für die neue Erfindung des gothischen Gewölbes 
erkaltet ist, wiederum die Anwendung des Holzes, und zwar zu- 
nächst an der Wölbung und mit Hülfe jener Rippenbildung, die 
man im Stein zwecklos angewendet hatte. Wie es scheint ge- 
schah dies zunächst in solchen Fällen, wo die Anwendung des 
Steines zu gewagt schien; so zu York im Kapitelhause, wo man
	        
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