Volltext: Geschichte der bildenden Künste im Mittelalter: Die Spätzeit des Mittelalters bis zur Blüthe der Eyck'schen Schule (Bd. 6 = [2], Bd. 4)

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Englische 
Architektur. 
ist eine der reizendsten Schöpfungen dieser Zeit. Anfangs hinter 
dem (lreischifligen Chor durch zwei offene Seitenkapellen erwei- 
tert, dann dreischiffig jedoch in durchweg gleicher Höhe, endlich 
einschiffig mit polygonalem Schlusse , erscheint sie, wenigstens 
nach einer Seite hin, fast wie ein Centralbau, der sich um sechs 
im Sechseck aufgestellte schlanke, verschieden gestaltete Pfeiler 
ausbreitet, und auf jedem Schritte neue und überraschende Durch- 
blicke gewährt. Die zierlichen, zum Theil monolithen Säulen an 
diesen Pfeilern, der phantastische Schmuck des reich herabhän- 
genden Blattwerkes der Kapitäle, die weit geöffneten, vierthei- 
ligen, oben mit Rosetten gefüllten Fenster, die kühngeschwun- 
genen , dichten, fein profilirten Rippen des Fächergewölbes, die 
vielen Schlusssteine, welche in tief unterhöhlter Plastik sich an 
der Scheitelrippe wie ein Schmuck von Edelsteinen reihen, alle 
diese leichten und graciösen Details geben den Eindruck höch- 
ster, phantastischer, aber doch geschmackvoller und nicht einmal 
überladener Pracht. Die wesentlichste Bestimmung der Kapelle 
scheint die einer bischöflichen Grabstätte gewesen zu sein, und 
die kostbar geschmückten Monumente verschiedener Jahrlnm- 
derte, Welche hier versammelt sind, erhöhen den Eindruck, der 
freilich wieder mehr der vornehmer, weltlicher Festlichkeit, als 
der der Grabesstille ist. Der Chor, der einer wenig späteren Zeit 
anzugehören scheint, zeigt mehr die Schattenseite des Jahrhun- 
derts, Willkür und einförmige Ueberladung. Die vom Boden 
aufsteigenden Dienste sind als drei mit Basis und Kapitäl über- 
einandergestellte Säulenbündel behandelt, an der Stelle der Tri- 
forien ist die Wand mit flachen und schmalen Nischen, Stab- 
werk und Baldachinen überfüllt, und alle diese vielen und schwa- 
chen Details sind so gestellt, dass sich nicht einmal bedeutsame 
Irlorizontallinien bilden, welche dieser Mannigfaltigkeit eine Ein- 
heit geben. 
Eine weitere Aufzählung auch nur der bedeutendsten Werke 
dieses baulustigen Jahrhunderts würde zwecklos sein, und die 
angegebenen Beispiele werden hinreichen. Es konnte denn doch 
nicht fehlen, dass dieses decorative Schwelgen allmählig zu einer 
Ermattung führte und dass man von phantastischen Einzelheiten 
übersättigt, wieder grössere Einheit und einfachere Regeln suchte.
	        
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