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Englische
Architektur.
ist eine der reizendsten Schöpfungen dieser Zeit. Anfangs hinter
dem (lreischifligen Chor durch zwei offene Seitenkapellen erwei-
tert, dann dreischiffig jedoch in durchweg gleicher Höhe, endlich
einschiffig mit polygonalem Schlusse , erscheint sie, wenigstens
nach einer Seite hin, fast wie ein Centralbau, der sich um sechs
im Sechseck aufgestellte schlanke, verschieden gestaltete Pfeiler
ausbreitet, und auf jedem Schritte neue und überraschende Durch-
blicke gewährt. Die zierlichen, zum Theil monolithen Säulen an
diesen Pfeilern, der phantastische Schmuck des reich herabhän-
genden Blattwerkes der Kapitäle, die weit geöffneten, vierthei-
ligen, oben mit Rosetten gefüllten Fenster, die kühngeschwun-
genen , dichten, fein profilirten Rippen des Fächergewölbes, die
vielen Schlusssteine, welche in tief unterhöhlter Plastik sich an
der Scheitelrippe wie ein Schmuck von Edelsteinen reihen, alle
diese leichten und graciösen Details geben den Eindruck höch-
ster, phantastischer, aber doch geschmackvoller und nicht einmal
überladener Pracht. Die wesentlichste Bestimmung der Kapelle
scheint die einer bischöflichen Grabstätte gewesen zu sein, und
die kostbar geschmückten Monumente verschiedener Jahrlnm-
derte, Welche hier versammelt sind, erhöhen den Eindruck, der
freilich wieder mehr der vornehmer, weltlicher Festlichkeit, als
der der Grabesstille ist. Der Chor, der einer wenig späteren Zeit
anzugehören scheint, zeigt mehr die Schattenseite des Jahrhun-
derts, Willkür und einförmige Ueberladung. Die vom Boden
aufsteigenden Dienste sind als drei mit Basis und Kapitäl über-
einandergestellte Säulenbündel behandelt, an der Stelle der Tri-
forien ist die Wand mit flachen und schmalen Nischen, Stab-
werk und Baldachinen überfüllt, und alle diese vielen und schwa-
chen Details sind so gestellt, dass sich nicht einmal bedeutsame
Irlorizontallinien bilden, welche dieser Mannigfaltigkeit eine Ein-
heit geben.
Eine weitere Aufzählung auch nur der bedeutendsten Werke
dieses baulustigen Jahrhunderts würde zwecklos sein, und die
angegebenen Beispiele werden hinreichen. Es konnte denn doch
nicht fehlen, dass dieses decorative Schwelgen allmählig zu einer
Ermattung führte und dass man von phantastischen Einzelheiten
übersättigt, wieder grössere Einheit und einfachere Regeln suchte.