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England.
nicht einmal so gross wie die darüber befindlichen Fenster; das
Mittelportal ist zwar grösser, zweitheilig, mit einem Giebel ver-
sehen, der über die Grundlinie des grossen Fensters hinaus-
reicht, aber um so mehr wird es von diesem sehr viel breiteren,
und mehr als zwei Mal so hohen Fenster erdrückt. Ueberhaupt
sind die Fenster so gewaltig, dass neben ihnen die vielen dünnen
Stäbe und schmalen Nischen nur schwächlich erscheinen können,
so dass im Ganzen auch diese unstreitig schönste Faeade Eng-
lands eigentlich nur beweist, wie wenig sich die hiesige Kunst
für diese Aufgabe eignete.
Freilich trägt dazu auch der Umstand bei, dass sich die
Thürme nur mit Einem sehr hohen, unverjüngten Stockwerke
über den flachen Giebel erheben und dann plötzlich mit einer Ba-
lustrade und acht winzigen Fialen abschliessen, schwerlich dem
Plane des ursprünglichen Meisters entsprechend, welcher, indem
er nach continentaler Weise die Thürme mit der Facade ver-
schmolz, sie gewiss auch durch einen hohen und schlanken Helm
krönen wollte, und dazu dieses kräftige Stockwerk anlegte, wel-
ches jetzt in seiner abgestumpften Gestalt seinen Zweck verfehlt
und schwer auf den unteren Theilen lastet.
Denn auch darin zeigen die Architekten des decorirten
Styles eine Hinneigung zu dem Systeme des Continents, dass
sie die Thürme nicht des Helmes entbehren lassen wollten. Der
normannische Styl hatte sich mit kurzen, schweren, rechtwin-
kelig abschliessenden Thürmen begnügt, der frühenglische nur
in einzelnen Fällen wirkliche Thurmspitzen versucht, der per-
pendiculare gab sie wieder auf, und alle bedeutenden Anlagen
dieser Art gehören der gegenwärtigen Epoche an. So der
schlanke Mittelthurm der Kathedrale von N orwich , welcher dem
normannischen Unterbau nach 1295, wahrscheinlich aber in lang_
samer Arbeit aufgesetzt wurde, und der von Salisbury, der
höchste und schönste Englands, auf welchen der Architekt des
dreizehnten Jahrhunderts so wenig gerechnet hatte, dass der des
vierzehnten besonderer Unterstützungsmittel bedurfte; so ferner der
der Kathedrale von Chichester, welcher dem letztgenannten, wenn
auch mit sehr viel geringerer Höhe nachgeahmt scheint, dann
die drei schon erwähnten Thürme von Lichlield und endlich der