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England.
unter dem Namen des verzierten Styls begreift, eben durch das
Abweichen von jenen nationalen Eigenheiten entstand, und nicht
eher zur Ruhe kam, bis im Perpendicularstyl nun Wirklich eine
ächt englische, für Jahrhunderte genügende Form gefunden war.
Er hat auch wirklich mit den Werken der früheren Uebergangs-
epoche den Reiz grosser Originalität und Individualität gemein,
aber er hat daneben den Vorzug einer höchst ausgebildeten
Technik, eines gebildeten Geschmacks, und sehr viel grösserer
Harmonie. Die englischen Architekten geben ihm daher auch
fast einstimmig den Vorzug vor allen anderen einheimischen
Stylen, und in der That erscheint er zwischen der etwas trocke-
nen Haltung des frühenglischen und dem bald in Monotonie aus-
artenden Perpendicularstyl als ein frisches Erblühen des künst-
lerischen Gefühls. In diesem Sinne muss man die Bezeichnung
des "verzierten" Styles deuten, er ist nicht etwa der reichste an
Verzierungen, vielmehr wird er darin vielleicht schon vom nor-
mannischen, gewiss von vielen Bauten des Perpendicularstyls
übertroffen, sondern der schöne Styl der englischen Kunst, der-
jenige in welchem der brittische Kunstsinn gewisse, ihm gefähr-
liche Einseitigkeiten möglichst vermeidet und die glückliche Mitte
zwischen der Sprödigkeit des früheren und der conventionellen
Glätte des späteren Styles hält. Freilich mögen wir dann aber
auch aus jener Bezeichnung die Andeutung entnehmen, dass wir
die imposante Strenge und grossartige Consequenz anderer
Epochen hier nicht erwarten und der künstlerischen Freiheit,
welche das Wesen dieses Styles ausmacht, auch etwas Willkür
und Uebermuth zu Gute halten müssen. Statt einer erschöpfen-
den Charakteristik dieses Styls, welche bei seiner Principlosig-
keit nicht denkbar ist, müssen wir uns begnügen, die wichtigsten
Veränderungen, die wir an den einzelnen Theilen wahrnehmen,
näher zu betrachten.
In manchen Beziehungen finden wir, dass sie auf Herstel-
lung eines lebendigeren Zusammenhanges, ja sogar grösserer
Einfachheit abzielten. Die Pfeiler, welche im frühenglischen
Style oft aus einzelnen sehr dünnen und weit abstehenden Säulen
bestanden, werden jetzt meist aus einem Stücke gebildet, manch-
mal mit acht kräftigen Halb- oder Dreiviertelsäulen, meistens