Stylveränderungexl.
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schem Sinne niemals verkannt, dass auch im gothischen Sy-
steme, ungeachtet der stärkeren Verwendung der Verticale, die
Horizontale eine unvertilgbare Bedeutung habe; es handelte sich
daher nur darum, dieser relativen Gleichberechtigung beider Rich-
tungen einen angemessenen harmonischen Ausdruck zu schaffen.
Der frühenglische Styl halte dies in sehr eigenthümlicher, aus
nationaler Anschauung hervorgegangener Behandlung versucht; er
behielt die Horizontaltheilungen des älteren Styles bei und betonte
nur in den Details, z. B. in der Auflösung des Pfeilers zu völlig
getrennten Säulen, in der Häufung der aufwärts strebenden Lancet-
spitzen s. s. w., die Verticale und zwar ziemlich stark. Beide
Richtungen waren daher nebeneinander gestellt, nicht organisch
miteinander verschmolzen. Die hieraus entstehenden Mängel und
Härten konnte aber der weiter durchbildete Sinn der jetzigen
Architekten nicht mehr dulden; sie strebten daher, weichere
Uebergänge und eine lebcndigere Gestaltung des Ganzen zu er-
langen, waren nicht abgeneigt, sich der continentalen Formbe-
handlung anzuschlicssen, konnten sich ihr aber nicht unbedingt
hingeben, weil sie den damit nicht völlig zu vereinigenden Grund-
typus englischer Kirchen festhielten. Es galt daher, eine Aus-
gleichung zu ünden, imd das War eine Aufgabe, welche sich
nicht wie jene rein constructive der früheren französischen Schule
durch consequcnte Durchführung eines Princips lösen liess, son-
dern bei der es auf Geschmack rund Glück, auf durchaus indivi-
duelle Gaben ankam, und der man sich nur durch wiederholte
Versuche und mannigfache Combinationen nähern konnte.
Die Gesammtheit dieser Versuche ist es, welche man den
nverzierten" Styl nennt, im Gegensatze sowohl gegen den früh-
englischen, der ihm vorherging, als gegen den Perpendicularstyl,
dessen langanhaltende Herrschaft nach ihm begann. Ein fest
formulirtes Princip, oder auch nur eine genau bestimmte Modi-
fication des gothischen Princips liegt ihm also nicht zum Grunde,
er bezeichnet nur die architektonische Bewegung zwischen jenen
beiden angränzendeil Stylen. Man könnte ihn einen Uebergangs-
styl nennen, besonders wenn man erwägt, dass in jenen beiden
anderen Stylen das nationale Element viel bestimmter ausge-
sprochen ist und dass das Suchen und Streben, welches man