Nationalgefühl.
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der Nation weder an Geld noch an Neigung für diesen edeln
Luxus fehlte, dass vielmehr der Sinn sich recht hochgemuth und
frei erhob und glänzende Umgebungen forderte. Freilich hat ein
siegreicher Krieg, wie dieser es für die Engländer im Ganzen
war, immer ein poetisches Element, welches, besonders bei der
ritterlichen Stimmung dieser Zeit, die Gemüther wohl über
materielle Noth und Einbussen erheben konnte; aber dies allein
würde den Aufschwung noch nicht erklären, es kam etwas viel
Wichtigeres hinzu. Der Waffenklang dieses Krieges War für
England eine Friedensfeier; schon im vorigen Jahrhundert hatten
die beiden, so lange feindlich einander gegenüberstehenden
Stämme sich genähert, dieser Krieg vollendete ihre Verschmel-
zung. Aus den Schlachten, in Welchen neben dem normanni-
schen Ritter das Sachsenvolk stritt und oft mit seiner nationalen
Armbrust und seiner bürgerlichen Kaltblütigkeit den Sieg ent-
schied, ging die Nation als cine einige hervor. Konnte auch der
Adel seinen französischen Ursprung noch nicht vergessen, so
fühlte er doch jetzt im Kriege die nationale Verschiedenheit von
seinen Stammesgenossen jenseits des Kanals; sträubte er sich
noch eine Zeit-lang, die Sprache seiner Ahnen im Familienkreise
aufzugeben, so konnte und Wollte er doch nicht hindern, dass sie
im öffentlichen Leben mehr und mehr dem neugebildeten gemein-
Samen Idiom Englands wich. Gleich nach dem ersten Akte des
blutigen Drama's im Jahre 1362 erlangten die Gemeiuen, dass
selbst die Eröffnungsrede des Parlaments englisch gehalten
Wurde, um 1385 wurde auch der Schulunterricht nicht mehr
französisch ertheilt, und ungefähr um dieselbe Zeit erhielt eng-
lische Sprache und Sitte durch Chauceris Gedicht eine poetische
Verklärung, welche ihren Sieg vollkommen sicherte.
Mit dieser nationalen Erregung hängt die grosse 'l'hätigkeit
und erfinderische Fruchtbarkeit der englischen Architektur zu-
sammen; auch auf diesem Gebiete galt es, ein fremdländisches
Element, das nicht mehr ausgestossen werden konnte, mit ein-
heimischen Anschauungen zu durchdringen und völlig zu natu-
ralisiren. Wie gross diese künstlerische Regsamkeit war, zeigt
sich schon daran, dass im Laufe eines Jahrhunderts ein mehr-
maliger Wechsel der Formen stattfand; dem frühenglischen
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