Belgische
Stadtbauten.
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schwungenen Strebebögen, das Portal des südlichen Kreuz-
schifies nebst dem überaus reichen Bosenfenster darüber, und
endlich und besonders den Thurm der Westseite, welcher imJahre
1434 begonnen, obgleich unvollendet und nur bis zur Höhe von
170 F uss hinaufgeführt, doch zu den schönsten Thürmen Bel-
giens gehört.
Neben den Kirchen verdienen die weltlichen Bauten in
dieser Gegend mehr als in anderen nähere Beachtung. Die per-
sönlichen Bedürfnisse waren zwar auch bei den Bürgern der flan-
drischen Städte noch immer sehr bescheiden; ihre Strassen be-
standen aus kleinen, in Holz oder Fachwerk erbauten, zum Theil
mit Schindeln und Schieferstücken unschön belegten Häusern,
zwischen denen dann schon seit dem zwölften Jahrhundert ein-
zelne feste, in Stein gebaute, thurmähnliche Gebäude aufstie-
genii), die aber auch nur auf Festigkeit, nicht auf Schönheit
Anspruch machten, und für uns in den seltenen Fällen, wo sie er-
halten sind, mehr eine sittengeschichtliche, als eine monumentale
Bedeutung haben. Anders verhielt es sich aber, wenn die grossen
Gemeinwesen selbst für allgemeine Zwecke und auf allgemeine
Kosten bauten, wo schon diese Bestimmung den Werken einen
höheren Ausdruck gab. Die frühesten dieser Gebäude in den
belgischen Städten dienten entweder zur Sicherheit gegen äussere
und innere Feinde, oder für die Ordnung und Bequemlichkeit
des blühenden Gewerbes. Zu jenem Zwecke hielt man ausser
den äusseren Befestigungswerken, Mauern und 'l'horen, beson-
ders einen hohen T hurm im Innern der Stadt für erforderlich,
von welchem aus die Wächter den nahenden Feind oder ausge-
brochene Feuersbrünste sehen und im Falle der Gefahr die be-
waffneten Bürger durch Glockengeläute zu den Sammelplätzen
rufen konnten 9341), der endlich stark und gross genug war, um
3') Vergl. die Ohronikenstellen des zwölften Jahrhunderts und die Beispiele
bei Schayes a. a. O. IV, S. 85 ff. Noch heute werden diese patricischen Häuser
in der Volkssprache: steenen genannt; so heisst z. B. in Gent ein Haus Anreyde
steen, ein anderes Duyvelsteen, dies nach dem Beinamen eines Besitzers.
w) Auf französischem Boden unterlag das Recht zu einer solchen städti-
schen Glocke königlicher Bewilligung. Philipp August gestattet in dem Pri-
vilegium von 1187 den Bürgern von Tournay ut campanam habeant in civitate
loco idoneo ad pulsandum ad voluntatem 00mm pro negotiis villae. Schayes IV, 13.