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Niederländische
Architektur.
seren Kirchen statt des Kapellenkranzes blos den Umgang mit
dem fünf- oder siebenseitigen Schlusse, und diese etwas schwer-
fällige Form befriedigte hier so sehr, dass sie allmälig die vor-
herrschende und selbst an prachtvoll ausgeführten Kirchen ange-
wendet wurde d).
Bei der Ausstattung des Aeusseren tritt in beiden nieder-
ländischen Regionen das Bestreben, durch grosse Massen, ohne
sonderliche Rücksicht auf Harmonie der Theile und auf feinere
Details, zu Wirken, noch deutlicher hervor. In Holland geht dies
oft bis zu einem Extrem des Schwerfälligeil, Nüchternen, Form-
losen, mehr noch, als es sich aus der vorherrschenden Anwen-
dung des Backsteins erklären lässt; in Belgien nähern sich auch
in dieser Beziehung die Formen mehr den französischen, mit
mehr oder Weniger verzierten Strebebögen, zierlichen Bahr-
straden, reicher geschmückten Portalen. Aber auch hier sind
diese Zierden vereinzelt und der Charakter des Schweren und
Breiten ist so vorherrschend, dass fast bei jeder bedeutendercn
Kirche sich die Verwunderung über den auffallenden Gegensatz
dieser plumpen Gestalt des Aeusseren gegen den malerischen
Anblick des Inneren wiederholt. Keine einzige Fagade kann
denen der grossen französischen Kathedralen verglichen werden,
auch die von St. Gudula in Brüssel verdankt ihre imponirende-
Wirkung mehr ihrer günstigen Lage, als ihrer wirksamen An-
ordnung. Diese und die Kathedrale von Antwerpen haben zwar
Doppelthümie, aber sie sind nicht für die Gliederung des Ganzen
benutzt, namentlich sind die Seitenportale zu klein, zu wenig mit
dem Mittelportale verbunden, und überhaupt die 'l'heile nicht zu
einem Organischen Ganzen verschmolzen. Bei den meisten an-
deren, selbst grösseren, Kirchen verzichtete man auf diese höchste
Zierde der Vorderseite, in Holland hielt man sogar häufig die
I) Z. B. die grossen Kirchen von Arnheim, Zütphen, Deventer, Harlem,
Delft, die beiden grösseren Kirchen von Leyden, in Nordbrabant die übrigens
in reichem französischen Style gebaute Kirche zu Breda. Vrgl. die Abbildungen
im Organ a. a. O. In den westlichen Provinzen weiss ich kein Beispiel aus
dieser Epoche, wenn nicht vielleicht die Pfarrkirche von Aerschot, welche ich
nicht gesehen habe und deren Beschreibung bei Schayes III, 181, undeutlich
ist, diese _Form haben sollte. In der Uebergangszeit findet sie sich an N. D.
de Pamele in Audenaerde (vergl. Bd. V, S. 221).