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Die
Niederlande.
ganges durch flache Nischen, gaben daher auch bei Weitem nicht
den reichen, bedeutungsvollen Wechsel stärker und schwächer
beleuchteter Stellen, sondern ein zwar stärkeres, aber einförmiges
Licht. Endlich aber traten die Strebepfeiler, da sie nicht mehr
nach innen zwischen die Kapellen vorgeschoben waren, im
Aeusseren neben den flachen Polygonnischen schwerfällig und
unschön heraus. Diese Mängel sind in der That so gross, dass
nur die Rücksicht auf Ersparung diese abgekürzte Form
empfehlen konnte, und dies erklärt es, dass sie nicht allgemeiner
verbreitet, sondern nur in zwei verschiedenen Provinzen ein-
heimisch ist. In Frankreich hat zwar der 1216 vollendete Chor
der Kathedrale von Soissons eine ähnliche Einrichtung, indem
auch hier der Schlussstein des gemeinsamen Gewölbes im Scheitel
der Kapellenölfnuilg liegt und die Wölbung der entsprechenden
Abtheilung des Umganges als ein halbes Sechseck erscheint,
allein die Kapellen haben dennoch fünf Seiten und ein fünfthei-
liges Gewölbe (aus dem Zehnecke) und sind durch die nach
Innen verlegten Strebepfeiler von einander geschieden Auch
so aber fand diese Anordnung in Frankreich keinen Anklang,
hauptsächlich Wohl, Weil auch hier die Kapellen zu flach Waren,
und wurde bald darauf durch die schon erwähnte, zuerst in
Amiens angewendete verdrängt. Ein ganz vercinzeltes Beispiel
jener verkürzten Anordnung kommt dann zwar in Frankreich
vor, aber bei einem kleinen abgelegenen Gebäudeides Südens,
der schon oben erwähnten Kirche zu Uzeste und erst im An-
fange des vierzehnten Jahrhunderts, wo in den Niederlanden
schon mehrere Kirchen ersten Ranges damit ausgestattet waren,
so dass man jedenfalls von da her diese Form nicht ableiten
kann und dahingestellt lassen muss, ob, was immerhin nicht un-
möglich ist, ein niederländischer Einfluss bis zu jenem Kirchlein
in der Nähe von Bordeaux gelangt oder die Erfindung hier zum
zweiten Male gemacht sei.
Wo sie zuerst angewendet, wird sich schwer feststellen
lassen. An den beiden von einander entfernten, ziemlich gleich-
i") Vgl. den Grundriss der Kathedrale von Soissons bei Viollet -le-Duc,
Dictionnaire II, 310. Ich bemerke, dass auch hier der von Wiebeking Taf.86
gegebene Grundriss unrichtig ist.