Burgundische
Ilerrschaft.
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I-lause den Weg öffnete, mehr von den Fürsten als vom Volke
aus. Von der blutigen s. g. Sporenschlacht bei Coortryk im
Jahre 1302 bis zu der nicht minder blutigen, aber für Frankreich
siegreichen Schlacht bei Rosebeke 1388 standen die flandrischeix
Weber oft den französischen Rittern kämpfend gegenüber. Auch
war die Sinnesweise der Bevölkerung und die innere Lage beider
Länder sehr verschieden; während in Frankreich der monarchisch
aristokratische Sinn und die höiisch geschmeidige Sitte immer
mehr ausgebildet wurden, äusserte sich in den Niederlanden ein
lebhaftes demokratisches Freiheitsgefühl in derber, oft über-
müthiger Weise. Von jenem altgermanischen Trotze der frie-
sischen Bauern, welchem nicht blos der Graf von Holland, son-
dern selbst die Kirche nachgeben musste, war auch den andern
Provinzen etwas geblieben, nur dass hier die Städte in den Vor-
dergrund traten, Welche durch ausgedehnten Handel und durch
Gewerbthätigkeit einen hohen Grad von Selbstständigkeit und
Macht auch ihren Landesherren gegenüber gewrannen. Bei dem
Frieden von 1323 zwischen den Grafen von Flandern und Hol-
land übernahmen die Städte beider Provinzen die Bürgschaft, und
in Brabant unterwarf der Graf schon 1312 seine Beschlüsse der
Zustimmung eines Rathes, in welchem zehn Vertreter der Städte
neben fünf des Adels sassen. In Flandern kam es zu so fried-
lichem Austrage nicht, dafür waren aber auch die grade hier dicht
neben einander gelegenen Städte mit ihrer unruhigen Bevölke-
rung fast beständig im Aufstande und zum Theil die Beute listi-
ger Demagogen, bis ihre neuen Herren, die Herzöge von Bur-
gund, sie durch milde und kluge Behandlung zu gewinnen
wussten.
Diese Verschiedenheit des V olkscharakters stand aber der
Aufnahme französischer Architekturformen nicht entgegen. Die-
selben Eigenschaften, welche die Niederländer von den Fran-
zosen unterschieden, hielten sie auch von einer selbstständigen
architektonischen Produetion zurück. Ihr nüchtern praktischer
S111" konnte sich für die abstracte Form, der Individualismus
Ihrer extremen Freiheitsliebe für die Kunst der Unterordnung des
1111118111611 unter das Allgemeine nicht schöpferisch begeistern.
Ihre Begabung Wies sie auf andere Bahnen, und machte sie in