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Französische
Architektur.
gewordene, auf die Wiederkehr solcher Unruhen berechnete
Vorsicht de).
Eigentliche Nachahmungen der Kathedrale von Alby ken-
nen wir nicht; die anderen einschifligen Kirchen sind schlichter
und mit abweichenden Einzelheiten. An Grösse am Nächsten
steht ihr die Kathedrale von Perpignan im Roussillon, 1324
noch unter der Herrschaft der Könige von Majorca gegründet,
aber erst unter Ludwig XI. vollendet. Sie ist nicht in Ziegeln,
sondern nach eigenthümlicher Ortsgewohnheit in grätenartigen
Kieselschichten gebaut, einschiftig, aber mit einem Querarm, der
auüiallenderweise polygonförmig schliesst. Die Kühnheit ihres,
nur von Kragsteinen ausgehenden Gewölbes wird gerühmt, und
ihre Dimensionen (235 FIISS Länge, 59 Fuss Breite, S2 Fuss
Höhe] sind bedeudendäiii], aber doch weit unter dem Maasse
von Alby.
Für den Chorschluss bildete sich keine feste Regel. Zu-
weilen wurden, wie in St. Bertrand de Comminges und an der
Kathedrale zu Toulouse, auch einschiffige Anlagen mit einem
reichen Kapellenkranze versehen, aber ebenso oft erhalten auch
grössere Kirchen die einfache Apsis. Ueberhaupt gab der Zwie-
spalt zwischen einheimischen 'l'raditionen und den Regeln des
gothischen Styles den Architekten eine grössere Freiheit, die
zwar ein consequentes Fortschreiten wie in der nordfranzösi-
sehen Schule nicht beförderte, aber zuweilen sehr originelle Er-
scheinungen erzeugte. So hat an der Kirche zu Uzeste bei
Langon im Departement der Gironde, welche Papst Clcmens V.
(f 1314] erbaute und in der er bestattet ist, das dreischiffige
Langhaus abwechselnd stärkere und schwächere Pfeiler und ein
sechstheiliges lilittelgewölbe, also eine Anordnung, welche in
diesen Gegenden vielleicht niemals, und in den nördlichen Pro-
vinzen seit hundert Jahren nicht vorgekommen War. Noch
merkwürdiger ist aber der Chorschluss; er ist nämlich dreiseitig
aus dem Achtecke, mit einem Umgang und einem Kranze von
drei Kapellen; aber diese sind so flach und jener Umgang ist so
schmal, dass ein aus sechs Feldern bestehendes Rippengetnrölbe,
i") VioIlet-le-Duc I, 227.
H) Bourasse a. a. O. S. 230. ltläriinee, Midi, S. 379.