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Französische
Architektur.
selten; grosse Landstrecken waren beim Mangel guten Bau-
steins seit der Römerzeit an den Ziegelbau gewöhnt, andere Ge-
genden besassen Marmorarten, deren farbiger Glanz in ein-
fachen, glatten Flächen am_besten wirkte.
In den Details hatten schon die Meister jener ersten WVerke
Concessionen machen müssen; die neue Generation folgte den
südlichen Anschauungen noch freier und schon in der Planan-
lage. Das ganze complicirte System mehrerer, durch schlanke
Pfeiler gesonderter, durch kühne Strebebögen gestützter Schiffe
sagte dem südlichen Raumgefühle weniger zu, als ungetheilte
grössere Hallen, die, von starken Strebepfeilern begleitet, von
Einem Gewölbe bedeckt waren. In den westlichen Gegenden
hatten jene aquitailischen Kuppelkirchen das Beispiel einschif-
Iiger Gestalt gegeben, das sich weithin über den Süden verbrei-
tete und, wie wir schon sahen, auch im gothischen Style und
selbst bei der mächtigen Kathedrale von Bordeaux maassgebend
wurde. Aber auch in der Provence hatten nicht blos anspruchs-
losere Kirchen, sondern auch Kathedralen ältester Stiftung ein-
sehifüge Anlage; so die von Marseille und die von Frejus, deren
Formen auf das eilfte Jahrhundert hinweisen, so ferner die von
Toulouse, welche, obgleich die gewaltige Abteikirche von St.
Saturnin in derselben Stadt das Beispiel einer grossartigen fünf-
schifligen Basilica gab, im zwölften Jahrhundert diese einfache
Gestalt erhalten hatte. Zwar war dies keine ausschliessliche
Regel, der gothische Styl fand auch andere, dreischiflig gebaute
Kathedralen vor; allein sonderbarer Weise kam mit ihm zugleich
die einschiflige Form und besonders auch das Wölbungssystem
jener einschiffigen Kathedralen in Aufnahme, obgleich es in der
That auf antik-römischen Traditionen fusste. Sie sind nämlich
von mächtigen quadraten Kreuzgewölben überdeckt, wie wir sie
auch sonst in römischen Gebäuden, z. B. in der Basilica Con-
stantins finden, die aber hier von Wandpfeilern getragen und
von schmalen, quergelegten, diese Pfeiler verbindenden Tonnen-
gewölben gestützt werden. Diese Pfeiler sind in der That wirk-
liche, nur in das Innere gelegte Strebepfeiler, welche, wenn man
sie nach gothischem Systeme statt auf quadrate, auf schmale
Kreuzgewölbe berechnete, also einander näher rückte, ein sehr