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Französische
Architektur.
so dürftiger und kaum wie einzelne tragende Glieder, sondern
mehr wie eine feste Mauermasse , zumal da Baldachine , für un-
ausgeführt gebliebene Statuen bestimmt, darauf angebracht sind
und sie verbinden. Wir sehen schon hier, wie der vollendete
Verticalismus über sein Ziel hinaus und zur Wiederherstellung
umgebrochener Mauern führen musste. Bei der Anordnung der
oberen Wände ist das Motiv lichter Triforien von verdoppelter
Zahl der Abtheilungen beibehalten; aber die Oberlichter sind
hier fünft-heilig und das Maasswerk bewegt sich in kräftigen,
flammenden Linien, so dass die ganze Anordnung hier reicher,
aber auch dichter und weniger graziös und luftig erscheint.
Die grosse Schönheit der Verhältnisse bewährt sich indessen-
auch hier. Der Mittelthurm, der hier, wie häufig in der Nor-
mandie, nach englischer Weise gross und bedeutend gehalten
ist, hat zwar seine Ausführung erst viel später erhalten, war
aber schon ursprünglich beabsichtigt. Dagegen ist die ganz un-
gewöhnliche Anlage der westlichen Thürme, deren viereckiger
Ueberbau nämlich übereck gestellt ist, so dass die vorderen
Strebepfeiler vortreten und eine Einrahmung des mittleren Theils.
der Faeatle bilden, nicht unserer Epoche zur Last zu legen, son-
dern eine Erfindung des sechszehnten Jahrhunderts, durch
welche man den pittoresken Effekt erhöhen und der Facade un-
geachtet der geringen Breite ein grösseres und bedeutenderes
Ansehen geben Wollte.
Die meisten anderen in dieser Epoche neu erbauten Kirchen
waren wie St. Ouen klösterliche, sind aber nach der Aufhebung
der Klöster abgetragen, so dass wir von ihrer Pracht nur Nach-
richten haben. Dahin gehörte ausser der schon erwähnten Cöle-
stinerkirche zu Paris auch die im Jahre 1338 begonnene, aber
unvollendet gebliebene Kirche der Bernhardiner, deren pracht-
volles dreischitfiges Langhaus mit grossen breiten viertheiligen
Fenstern, reichem, geometrischem Maasswerk, sehr durchbil-
detem Strebesysteme in der Revolution niedergerissen ist, so
dass nur noch ein dazu gehöriges gewaltiges dreischilfiges Re-
fectorium aus derselben Zeit von der Eleganz dieser Kloster-
bauten Zeugniss giebt. Erhalten ist in Paris noch die Kapelle
des Collegiums von Beauvais, zu Welcher Carl V. 1370 den