Volltext: Geschichte der bildenden Künste im Mittelalter: Die Spätzeit des Mittelalters bis zur Blüthe der Eyck'schen Schule (Bd. 6 = [2], Bd. 4)

St. Ouen 
in 
Rollen. 
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gemässigt, die Bande der Gesetzlichkeit sind noch nicht gelöst, 
die Details treten noch nicht übermüthig und zudringlich hervor 
und stören die Einheit des Ganzen nicht. Selbst der kritisch Ge- 
stimmte wird der schlanken Schönheit der Verhältnisse, dem 
(lurchgeführten Charakter des Luftigen und Leichten, der heitern 
und dennoch kirchlichen Würde des edlen Bauwerkes seine An- 
erkennung nicht versagen, und die grosse Menge der Beschauer 
ist von der vollendeten Eleganz dieser Räume hingerissen, und 
geneigt gerade in ihnen einen Ausdruck religiöser Stimmung zu 
finden, der sie sich hingeben kann. Als eine Eigenthümlichkeit. 
des Baues mag noch die Choranlage erwähnt werden; wäh- 
rend nämlich der innere Schluss in allen bisherigen französischen 
Kathedralen aus fünf Polygonseiten besteht, denen dann fünf 
oder sieben Kapellen des Kranzes entsprechen, hat er hier nur 
drei, welche zwar mit den beiden anstossenden Jochen der Pfei- 
lerreihen fünf Seiten des Achteckes darstellen und daher am 
Umgange fünf Kapellen gestatten, doch so, dass die beiden 
ersten kleiner, die beiden folgenden etwas grösser gehalten sind 
und die fünfte, mittlere als besondere Kapelle der Jungfrau be- 
deutend verlängert ist. Diese Anordnung hat, wenn man sie im 
Grundrisse betrachtet, etwas Abstractes und Niichternes, in der 
That ist aber auch sie sehr wohl berechnet, indem bei der ge- 
ringen Breite des ltlittelschißes eine engere Stellung der ab- 
schliessenden Pfeiler schwer erscheinen würde, während die 
weiten OeEnungen bei der Schlankheit der sich hinaufschwin- 
genden Pfeiler ein glänzendes Bild gewähren. Im Langhausetk) 
wird die VVeichlichkeit der Details schon auffallender, alle Mo- 
tive des Chores sind hier Weiter geführt und übertrieben; die 
dünneii Rluidstäbe der Pfeiler auf jenen weichlich gebildeten S0- 
ckeln gleichen unten schwachen Lanzenschäften mit ihren Grif- 
fen, und verlaufen sich oben ohne Kapital in Scheid- und 
Schildbögen. Zwar treten die vier Hauptdienste kräftiger hervor 
auf senkrechten Sockeln und mit Kapitälen, allein eben dadurch 
erscheinen die von ihnen eingerahmten schwächeren Stäbe um 
a) Vergl. die Abbildung eines Jochas bei Kugler Gesch. d. Bank. III, 93 
nach PeyIPT, manuel de Patch.  Andere Abbildungen bei Pugin and le Keux, 
Aroh. antiqu. of Normandy und in den Voy. pitt. et rom. Norm. p]. 143 ff.
	        
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