Volltext: Geschichte der bildenden Künste im Mittelalter: Die Spätzeit des Mittelalters bis zur Blüthe der Eyck'schen Schule (Bd. 6 = [2], Bd. 4)

Spuren 
der 
Ermattung. 
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Geiste jener Meister zu sein, von denselben blos übersehen schei- 
nen. Sie suchen nur einige Hindernisse und Härten zu beseitigen, 
das Ganze noch luftiger, noch leichter, noch schwunghafter zu 
machen, und verfahren dabei in der That, wie man den meisten 
von ihnen bezeugen muss, noch ohne Uebereiluug und Ueber- 
treibung. Das Erbtheil guten Geschmackes ist auf sie überge- 
gangen; das Kreuzgewölbe bleibt noch einfach, das Maasswerk 
noch lange geometrisch und ziemlich rein, und erst am Ende des 
vierzehnten Jahrhunderts beginnt die Neigung zu flammenden Li- 
nien. An den Pfeilern geht zwar der Prozess der Auflösung in 
feinere Glieder, der Verschmelzung mit Bögen und Gewölbgurten 
rascher vorwärts, die Fenster werden zu möglichster Breite er- 
weitert, die Triforien meistens mit lichten Rückwänden und als 
Vorstufe der Oberlichter gebildet. Aber diese Aenderungen er- 
reichen auch ihren Zweck, geben dem Ganzen grössere Eleganz 
und leichteren Aufsclnvung ohne der kirchlichen Würde Ab- 
bruch zu thun. Es ist eine kühnere, aber doch noch immer ernste 
Poesie in diesen Formen, welche noch heute auf die meisten Be- 
schauer sehr wohlthätig wirkt, und bei der das kritische Auge 
des Sachverständigen erst nach näherer Prüfung den Mangel an 
Energie und Kraft, die Neigung zu oberflächlicher und weich- 
licher Behandlung wahrnimmt. 
Eine Geschichte dieser architektonischen Epoche lässt sich 
eigentlich nicht geben, weil sie kein Ziel, keine einheitliche, 
Strebende Bewegung hatte, weil ihre Bauten sich meist nur in 
ihren Details von den früheren unterscheiden. Sie bildet mehr 
ein Interregnum zwischen der klassischen Epoche, die wir hinter 
uns haben, und dem späteren, üppig entartenden Styl, der etwa 
vom Jahre 1425 begann, in welchem sich der ganze Bau in 
flammendes Maasswerk aufzulösen schien. Zudem haben wir 
von einer ganzen, grossen Klasse von Gebäuden und zwar von 
der, bei welcher vielleicht die Neuerungen sich zuerst entwickel- 
ten, von den Palästen und Schlössern, nichts als Nachrichten und 
höchstens Ruinen. Carl V. war, wie gesagt, sehr baulustig; 
noch als Dauphin hatte er die 1370 geweihte Kirche des neuge- 
gründeten Klosters der Cölestiner zu Paris so bedeutend geför- 
dert, dass die dankbaren Mönche am Portal unter anderen Statuen 
VI. 8
	        
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