Volltext: Geschichte der bildenden Künste im Mittelalter: Die Spätzeit des Mittelalters bis zur Blüthe der Eyck'schen Schule (Bd. 6 = [2], Bd. 4)

Fenstermaasswerk. 
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blieben. Jetzt aber, da dieses Bewusstsein sich verlor und 
man das Maasswerk bloss als eine Ausfüllung des Raumes 
(lnrch beliebige Figuren betrachtete, fielen sie mit ihrer un- 
regelmässigen und unschönen Gestalt auf; man suchte sie zu- 
nächst weniger anstössig zu machen, indem man die Kreise ent- 
weder vermehrte und dadurch die Lücken verkleinerte, oder in 
sphärische Drei- oder Vierecke verwandelte, welche näher an 
einander schlossen. Aber freilich waren die Muster, welche man 
auf diese Weise erhielt, blosse Formenspiele, denen kein lei- 
tender Gedanken zum Grunde lag, und die den Mangel einer 
festen, leicht anwendbaren Regel nur um so fühlbarer machten. 
Dazu kam ein anderer wichtigerer Umstand. Jener ältere 
Organismus war dadurch bedingt, dass man sich die Pfosten als 
kleine Säulen gedacht und mit Basis, Kapitäl und rundem 
Schafte gebildet hatte, so dass sie mit ihren Arcaden als geson- 
derte tragende Glieder und das obere Maasswerk als ein Ge- 
tragenes von relativer Selbstständigkeit seiner Figuren er- 
schienen. Als nun aber vermöge der weiteren Durchführung 
des X-lerticalismils sogar die Gewölbdicnste nur als Anfang oder 
Fortsetzung der Bogengliederung behandelt wurden, konnten 
die Pfosten jene Gestalt nicht lange behalten; sie verloren daher, 
zuerst die schwächeren dann auch die stärkeren, ihre Kapitäle 
und ihre cylindrische Form und wurden der Prolilirung des 
Fensterbogens entsprechend gebildet, so dass ihr Grundriss 
etwa die Gestalt eines sphärischen Vierecks mit abgestumpften 
Ecken und concaven Seiten erhielt. Dadurch fiel aber der Gegen- 
satz des Tragenden und Getragenen fort, und es lag nahe, das 
obere Maasswerk als unmittelbare, über die Bogenspitze ihrer 
Arcaden hinausgehende Fortsetzung der Pfosten zu behandeln. 
Dagegen würde aber die kräftig geschlossene Kreisgestqlt cou- 
trastirt haben und man musste bedacht sein, sie durch künst- 
lichere sphärische Figuren zu ersetzen, welche, dem Vertica- 
lismns entsprechend, eine mehr elliptische längliche Gestalt an- 
nahmen und ihrem Zwecke am besten genügten, wenn sie leicht 
ill einander übergingen und sich ohne Schwierigkeit dem ln- 
trados des Fensterbogens anschlossen. Dabei liess man denn 
entweder unter theilweiser Beibehaltung der früheren Prolilirung 
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