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Weltlebeu.
beliebt wurde, und bei denen es wild genug herging, wie die
bekannte Geschichte des unglücklichen Carl VI. beweist. Aber
auch ohne solche besondere Veranstaltungen wurde jede Hand-
lung der Fürsten und Grossen zu einem Volksfeste. Dahin ge-
hörten Reichstage und Zusammenkünfte der Herrscher, die frei-
lich, wie jener scheinbare Gerichtstag Kaiser Ludwigs von
Bayern im Jahre 1338 zu Coblenz, oft wirklich nur Schauspiele
waren, dann aber auch alle Familienfeste. Bei der Hochzeit des
Markgrafen Waldemar von Brandenburg zu Rostock im Jahre
1310 belief sich allein die Zahl der zu Rittern geschlagenen
Knappen auf 1700; die Menge der Herzoge, Grafen, Barone, der
Ritter in goldglänzenden Rüstungen, der Edeldamen war un-
zählbar, die Stadt konnte sie nicht fassen, es war daher ein
Lager von scharlaehrothen Zelten aufgeschlagen; Wein, Bier
und Meth flossen in Brunnen und selbst die Specereien, deren
man zu den Mahlzeiten bedurfte, bildeten ganze Schiiiisla-
dungen ü]. Noch viel pomphafter und geräuschvoller waren na-
türlich die Krönungsfeste des Kaisers oder des Königs von
Frankreich. Zu diesen ausserordentlichen und seltenen Festen
kamen dann die Turniere der Rittergesellschaften , die Feierlich-
keiten, mit denen die Städte den Besuch fürstlicher Personen
oder frohe Ereignisse begingen, und endlich die grösseren Kir-
chenfeste, Welche in Kathedralen und reichen Klöstern immer
von prachtvollen Aufzügen, Schauspielen und anderen Ergötz-
lichkeiten begleitet waren und daher auch durch diesen Reiz
nahe und entfernte Gäste herbeizogen.
Neben diesem Luxus bestanden in vielen Beziehungen noch
sehr primitive, fast rohe Gebräuche. Bei Mahlzeiten wurden die
Gäste in vielen Gegenden paarweise bedient, so dass zwei, und
zwar häufig ein Herr und eine Dame, nur einen Teller und einen
Becher hatten, woraus sich dann viele sorgfältig erlernte Regeln
des guten Benehmens ergaben. Gabeln kamen zwar in diesem
Jahrhundert mehr in Gebrauch, nachdem man sich bisher statt
ihrer kleiner Messer bedient hatte, dagegen kannte man Ser-
vietten noch lange nicht. Der Vorschneider zerlegte den Braten
kunstgerecltt auf einem dazu bereiteten flachen Brodte, dessen
Johannes Victorinus in Boehmer Fontes hist. germ. I, 367.