Ausbildung
des
frühgothischen
Styls.
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hielt deshalb jede dieser Abtheilungen möglichst niedrig,
wodurch aber, abgesehen von dem Nachtheile der Häufung
gedrückter Formen, die Beleuchtung des Inneren sehr er-
sclnvert wurde, so dass man auf Mittel denken musste,
sie zu verstärken. Neben allen diesen eigentlich techni-
schen Aufgaben hatten dann aber die Baumeister auch die
gesteigerten Anforderungen des Cultus und mithin die Ver-
hältnisse des Grundplans, der Kreuzarme und des Chors
zum Langhause, der SeitenschiHe zum Mittelschiffe, be-
sonders die Ausbildung des- Chors und Kapellenkranzes zu
überlegen und in Harmonie zu setzen, und auch in allen
diesen Beziehungen kamen sie erst nach vielfachen Ver-
suchen zum Abschluss. Vielweniger finden wir sie mit
der Ausbildung des Ornaments beschäftigt. Allerdings lag
der ganzen architektonischen Bewegung neben dem Streben
nach Solidität und ltanmerwveiterung auch der Wunsch
nach grösserer Schönheit und Pracht zum Grunde; aber
zum Theil wurde derselbe schon durch die imposanteren
Verhältnisse und durch die Menge und kräftige Ausbildung
der statisch nöthigen Glieder, der Gewölbdienste und Säulen
an Gallerien, Triforien und Fenstern und der Rippen an
den Gewölben befriedigt, welche das Ganze sehr vollstän-
dig, wenn auch in sehr ernster Weise, beleben und er-_
füllen. Jedenfalls aber hielt ihr eigener richtiger Takt oder,
der nüchterne und praktische Sinn des Landes _die Meister
von einem äusserlich decorativen Verfahren zurück. Sie
warteten gleichsam die Reife des Styls ab, um die geeig-
neten Stellen Zll finden, WO das Ornament sich mit Noth-
wcndigkeit entwickele, und begnügten sich mit dem her-
gebrachten Schmucke der Kapitale. Der Ausdruck ihrer
Werke ist dadurch ein sehr strenger und ernster.
Das Gebiet, auf Welchem sich dieser Styl bildete, um-
fasst die Erzdiöeesen von Paris, Sens und Rheims, jene
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