Erfindung
des
Strebesystems.
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gewinnen. Hiedurch ergab sich dann aber weiter, dass
die Oberlichter erst oberhalb der Stelle angebracht werden
konnten, wo sich das Pultdach der Gallerien anlegte, und
dass also die Wölbung der Gallerie nicht die Punkte erreichte,
Welche gegen den Seitenschub der Kreuzgewölbe gesichert
werden mussten. Man bedurfte vielmehr zu diesem Zwecke
einer anderen Hülfe, Welche man endlich durch die Anlage
von Strebepfeilern und Strebebögen erlangte. So künstlich
dies System erscheinen mag, ergab es sich doch aus der
bisherigen Praxis und den vorgenommenen Aenderungen
fast von selbst. Strebepfeiler waren aus römischen Bauten
bekannt und als ein natürliches Mittel gefährdeter Mauern
schon- sonst angewendet; die romanischen Lisenen, welche,
namentlich in der Normandie, schon eine ziemliche Stärke
erhalten hatten, gaben das Vorbild für ihre regelmässige
Anlage. Auf die Erfindung der Strebebögen wurde man
aber durch die halben Tonnengewölbe des südlichen Sy-
stems sehr leicht geführt, da sie in der That schon wirk-
liche, nur auf der ganzen Länge des Gebäudes durchge-
führte Strebebögen waren, Welche man jetzt, da das Kreuz-
gewölbe nur an seinen Ausgangspunkten eineriWiderlage
bedurfte, und da man ohnehin über dem Dache der Gal-
lerien nicht eine vollständige Ueberwölbung anbringen
konnte, gleichsam brach und die entbehrlichen Theile fort-'
liess. So naheliegend dies scheint, bedurfte die Erfindung
aber doch immer eines glücklichen Gedankens, der sich
bekanntlich nicht so leicht einstellt, und überdies lagen
ztvischcn dem Gedanken und der vollkommenen Ausfüh-
rung noch viele zu überwindende Schivierigkeiten; Es
kam darauf an, die nöthige Stärke der Strebepfeiler und
Strebebögen und die richtige Stelle zu finden, an welcher
sie die YVand des Oberschilfes berühren mussten, um dem
Seitendruck in wirksamer Weise zu begegnen. Wenn das
V. Ü