806
Metallarbeit.
Arbeit dieser Art sind aber die Beschläge der beiden west-
lichen Seitenportale von Notre-Dame zu Paris ä), an denen
man die Mannigfaltigkeit des Blattwerkes, die sinnreiche
Anordnung der wiederkehrenden Ranken, die Festigkeit der
Umrisse nicht genug bewundern kann. Die Phantasie des
Meisters hat sich hier sogar einige Male mit Glück darin
versucht, Vögel in den Zweigen anzubringen; künstleri-
scher Sinn und künstlerische Freiheit waren selbst auf die
Männer übergegangen, rvelche (len schweren Hammer zu
schwingen und das spröde Eisen zu schmieden hatten.
Ein weiteres Beispiel, wie sich der bildnerische Sinn bis
auf die unscheinbarsten Dinge erstreckte, giebt ein Waffel-
eisen in der Sammlung des Hotel Cluny, an welchem, in
ganz erträglichem Style anscheinend aus der Mitte des drei-
zehnten Jahrhunderts, die 'l'rinität und Scenen aus dem
Leben des Heilaudes dargestellt sind
S0 sehen wir denn die Kunst des Mittelalters nicht als
das Eigenthum Weniger vorzugsweise begabter und sorg-
fältig durchbildeter Genien, sondern als ein Gemeingut
Aller, die irgendwie für höhere Zwecke mitzuarbeiten be-
rufen waren, in ihren höchsten Leistungen so bescheiden,
dass die Urheber nicht einmal daran gedacht haben, ihr
geistiges Eigenthum zu bezeichnen, in den bescheidensten
Aufgaben noch so rege, dass sie auch ihnen ein indivi-
duelles Leben zu leihen wusste. Man hat diese Eigen-
schaft in unseren 'l'agen oft herausgehoben und die An-
näherung an das Handwerk als ein Heilmittel für die
Sclnvächen unserer künstlerischen Zustände empfohlen.
Allein so nützlich die hierauf gerichteten Bestrebungen sein
mögen, darf man doch nicht verkennen, dass jene Erschei-
Sie sind oft abgebildet, unter anderen in Lecomtx-Ps Monogra-
phie de N. D. de Paris und in den Annales archöol. XII, p. 51.
w") Annqles arch. XIII, p. 43, 8G.