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Reliquienschreine.
des Heiligen das Kostbarste zu häufen bestrebt war. Na-
mentlich sind auf den älteren Schreinen die sitzenden Fi-
guren meist schwerfällig, die Köpfe ausdruckslos. All-
mählig besserte sich zwar die 'l'echnik, an dem Schreine
zu Tournay von 1247 finden wir schon Gestalten von
grosser Schönheit und freier Bewegung, und auch an denen
von Aachen und Evreux zeigt sich in der schlanken" Hal-
tung und volleren Gewandung der einzelnen Figuren und
in der Anordnung der historischen Reliefs der günstige
Einfluss des neuen Styles; obgleich auch hier die Arbeit
der Goldschmiede hinter der Steinsculptur zurückblieb und
älteren Traditionen folgte. Selbst an dem Schreine zu
Evreux entsprechen die steife Haltung der langen Gestalten,
die dünnen vorgebogenen Hälse, die heftigen Bewegungen,
die noch immer gehäuften Falten mehr den Miniaturen vom
Anfange des Jahrhunderts, als der gleichzeitigen architek-
tonischen Sculptur. Günstiger war der Einfluss des go-
thischen Styles auf die Ornamentik, obgleich sie in ge-
wissen Beziehungen romanische Elemente festhielt, nament-
lich kommt nun eine überaus zierliche Filigranarbeit auf,
Welche bald die Innenseiten der Bögen, bald die Kanten der
Giebel und des Daches schmückt, und offenbar auf einer
Verbindung der Principien gothischen Maasswerkes mit
dem volleren Schwunge der romanischen Arabeske beruhet.
Von höchster Schönheit ist diese F'iligranarbeit an dem
Schreine von Aachen, und zwar gerade weil sie jenes
romanische Stylgefühl lebendiger bewahrt hat, während sie
an dem von Evreux, WO sie sich mehr an die Behandlung
des Blattwerkes in der gothischen Architektur anschliesst,
steifer ausfällt.
Neben
dem
feineren
Handwerk
der
Goldschmiede muss
ich zum Beschlusse auch noch der Schlosser und Schmiede
gedenken, da gerade diese gröberen Arbeiten den auffal-