Fagade
der
Kathedrale
V01]
Chartres.
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selbst von der Kirche von St. Denis ab, dass ihre drei
Portale nicht in je eines der drei Schiffe führen, sondern
eng aneinander gerückt die Breite des Mittelsehiffes ein-
nehmen. Augenscheinlich entstand dies hier dadurch, dass
man die beabsichtigten mächtigen 'l'hürn1e durchweg auf
solide Blauer-n stützen und diese nicht durch einen Portal-
bau
sclnvächen
Wollte ,
wodurch
m an
denn
als
Vorhalle
und Zugang des Schiffes nur den der Mittelschilfbreite
entsprechenden Raum zwischen den 'l'hürmen behielt, dem
man nun, wegen seiner bedeutenden Breite und grösserer
Pracht halber, drei Portale gab. Allein diese Anordnung,
wenn man auch später von ihr abging, gab doch eine
Anschauung der durch die Annäherung und Verbindung
der Portale entstehenden günstigen Wirkung, und verau-
lasste daher die späteren Meister, eine solche auch da zu
erstreben, wo die Seitenportale unter den 'l'hürmen ange-
bracht und von dem Mittelportale (turch die mächtigen
Strebepfeiler des 'l'hurn1banes getrennt wurden.
Die Anordnung und Eintheilung der Itacade war es
indessen nicht, was die Baumeister im Anfange unserer
Epoche am meisten beschäftigte; die christliche Architektur
ging immer vorzüglich vom Inneren aus, und gerade in
dieser Beziehung brachten die veränderten Verhältnisse neue
Anforderungen hervor. In der vorigen Epoche waren die
Klöster die hervorragenden Sitze der Bildung; ihre Bedürf-
nisse und ihr Geist hatten daher auch überwiegenden Ein-
[luss auf die Ausbildung der Architektur gehabt. Jetzt
handelte es sich mehr um Kirchen für die angewachsene
Bevölkerung der Städte, namentlich um Kathedralen, wel-
che die VViirde des Bischofs, als des Vertreters der in der
Hauptstadt einer Gegend concentrirten geistlichen Gewalt,
erkennen lassen, und durch ihre Formen einer schon an
feinere Sitte gewohnten Bevölkerung zusagen sollten. Man