762
Deutsche
Plastik.
gearbeitet und
bedeutend.
VOll
zartem
Ausdrucke der Gesichter, minder
S0 sehen wir also den neuen Styl in den entlegensten
Gegenden Deutschlands, am Rheine, in Franken, in Sach-
sen angewendet, aber immer doch nur vereinzelt und spar-
sam, nicht mit der Energie und Fruchtbarkeit wie in Frank-
reich. Sehon dies lässt darauf schliessen, noch deutlicher
ergieht es sich aber aus gewissen feineren Ziigen, dass
dieser Styl hier noch nicht so einheimisch und beliebt war,
wie dort. Er hing so innig mit der gothischen Architek-
tur zusammen, entsprach dem allgemeinen Zeitgeiste so
sehr, dass man ihm die Aufnahme nicht versagen konnte,
aber er befriedigte nicht völlig. Er setzte eine tactvolle
Ausgleichung der naturalistischen und poetischen Anforde-
rungen mit dem Stylistischen, eine Unterordnung des indi-
viduellen Gefühls unter die allgemeine Regel voraus, die
dem deutschen Geiste nicht natürlich war. Daher erklärt
sich, dass wir an manchen deutschen Sculpturen Spuren
des Widerstrebens gegen die Gleichförmigkeit jenes Styls
und des Bemühens nach grösserer Individualität und Natur-
Wahrheit bemerken. Hauptsächlich finden wir dies an Grab-
steinen. Die französische Kunst bewegte sich hier in
einem engen Kreise, aber mit Geschmack und Anstand;
sie hielt die Gestalten der Verstorbenen in gerader Lage
und gab der Gewandbehandlung durch breite, geradlinige
Falten den entsprechenden Ausdruck des Ernstes und der
Ruhe. Auch in Deutschland kannte und verstand man dies
Princip sehr wohl, und wir besitzen eine Reihe von Grab-
mälern aus dieser Epoche, in denen es strenge beobachtet,
einige wo es mit grosser Meisterschaft durchgeführt ist.
So unter anderen das Denkmal Heinrichs des Löwen und
seiner Gemahlin im Dome zu Braunschweig, die Grab-
Steine des Landgraferl Conrad 1243) in der Elisabeth-