Verbreitung
des
neuen
Styls.
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besonders die Statuen, mit welchen das nördliche Portal
der Ostseite offenbar mehrere Decennien nach seiner Er-
bauung geschmückt ist, Kaiser Heinrich und Kunigunde,
Adam und Eva und zwei Apostelgestalten. Diese in voller,
freier Gewandung würdig gehalten; die Kaiserin, mit etwas
kleinem Kopfe, gürtellosem weich herablliessenden Kleide
und anmuthiger Gebehrde; die beiden nackten Gestalten
aber von überraschender Naturwahrheit und schlichter Be-
handlung, der Körper des Adam kräftig, der der Eva von
anspruchloser Grazie. Die Ruhe der Haltung und die Völ-
ligkeit der Form eignet diese Arbeiten dem neuen Style zu,
während sie durch eine gewisse jugendliche Bescheidenheit
und Anmuth den Werken jener älteren sächsischen Schule
verwandt sind. Schärfer ausgeprägt finden Wir den neuen
Styl in demselben Dome an mehreren der goldenen Pforte
später hinzugefügten und an einigen im Inneren aufgestell-
ten Statuen; unter den letzten eine von ungewöhnlicher
Aufgabe, die Reiterstatue des heiligen Königs Stephan von
Ungarn. Hier ist das Pferd, wenn auch nicht vollkommen
richtig, doch mit glücklicher Naturbeobachtung wiederge-
geben, Während der Kopf des Königs schon jenes conven-
tionelle Lächeln hat, das zu den Schwächen des Styls
gehört
Bald nach diesen, etwa um 1250 entstandenen Arbeiten
finden wir dann diesen Styl in ganz Deutschland herr-
schend, bald freier, geistiger, häufig aber auch schon ziem-
lich handwerksmässig ausgeübt. Zu den besseren Lei-
stungen dieser Zeit gehören die zwölf M1) Standbilder im
Westchore des N aumburger Domes, welche Bischof
4') Vgl. über alle diese Seulpturen Kugler kl. Sehr. I, 156 m.
Abbild.
34') Acht Männer und vier Frauen; eine der letzten scheint von
späterer Arbeit. Vgl. die Abbildungen bei Puttrieh a. a. 0., Bd. I,
Abth. 2, Serie Naumburg, Taf. 16 und 17.