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Deutsche
Plastik.
Gewandfalten in einer Weise gehäuft und in geschwungene
Linien gezogen, die dort nicht vorkommt. Zwei Sta-
tuen, Welche am Eingange des Chors angebracht sind, die
eine in ritterlicher, fast römischer Tracht, die andere im
Prophetengewande und mit dem Scepter (Abraham und
Melchisedek?) sind in ganz gleicher Weise den Freiberger
Statuen ähnlich und von ihnen abweichend.
Wir bemerkten an den deutschen Wandgemälden, dass
dem einfachen, geradlinigen Style der gothischen Plastik
eine unruhige, bewegte Haltung der Figuren vorherging,
die auf einem noch unausgebildeten Naturalismus beruhte
und sich besonders durch flatternde Gewandmotive äusserte.
Auch in der Sculptur können Wir diese Richtung Wahrnehmen
und namentlich zeigt dies Altarwerk Spuren davon. Sehr
viel entwickelter ist sie aber auf dem in derselben Kirche
befindlichen Grabsteine des Stifters, Grafen Dedo 1190)
und seiner Gemahlin Mechtildis 1189). Hier sind die
Gestalten schon voll und kräftig, in der Modellirung an die
Arbeiten der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts erinnernd,
sogar nicht ohne Proträtähnlichkeit, die Gewänder aber in
einer, besonders für liegende Gestalten höchst aulfallenden
Weise wellenförmig bewegt und wie flatternd. Ohne
Zweifel hat die Dankbarkeit der Mönche dies Denkmal erst
längere Zeit nach dem Tode ihres Wohlthäters zu Stande
gebracht, da die Form der Waffen und der Lehnsfahne
auf das dreizehnte Jahrhundert deuten.
Wie weit sich der Einfluss dieser Schule erstreckte,
muss dahingestellt bleiben; indessen lässt sowohl jenes
Bildwerk in Gernrode als der Grabstein eines Ritters im
Dome zu Merseburg k), dessen Gestalt dieselbe weiche,
jugendliche Anmuth und eine ähnliche Gewandbehandlung
zeigt, auf eine weitere Verbreitung schliessen. Jedenfalls
m] Puttrich a. a. O., Band I, Abth. Q, Taf. 8, Nro. 4.