Sächsische
Schule.
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stellenden Figur stehend; dann auf der einen Seitenmauer
Abrahamis Opfer, auf den; anderen Moses mit der ehernen
Schlange und darunter Abel und Kain mit ihren Opfergaben,
alles bekannte Symbole des Opfertodes Christi.
Manche Züge in diesen Sculpturen entsprechen noch
ganz dem Geiste und Style des zwölften Jahrhunderts; die
rohe imd unförmliche Zeichnung an der Gestalt des jungen
Isaac und an dem Widder, der zu seiner Vertretung im
Gesträuche liegt, die iheftige Bewegung des Patriarchen
Selbst, auch die Wahl der Gegenstände, die noch ganz
dem Kreise altchristlicher Symbolik entnommen und ohne
allen scholastischen Anflug ist, deutet auf eine frühere Zeit,
und die architektonischen Details der Kanzel Würden es
gestatten, sie um die Zeit der Vollendung der Kirche
(1184) zu setzen. Dagegen zeigt sich in den Köpfen und
in der Haltung der Körper ein so feines Gefihl für Schön-
heit der Linie, für Naturwahrheit und Ausdruck, wie wir
es in so früher Zeit nicht gewohnt sind. Schon die
Christusgestalt, obgleich typisch und strenge, ist doch frei
bewegt und von belebten, mehr als gewöhnlich individua-
lisirten Gesichtszügen; besonders aber überrascht der Aus-
druck der Innigkeit und des Schmerzes oder der Reue in
den Köpfen und Bewegungen Abels und Kains. Auch
Maria und Johannes haben eigenthümlich bewegte Gebehrde
und freie Gewandmotive.
Einen näheren Anhaltspunkt für die Zeitbestimnrung
dieser Arbeit giebt ein zweites, bedeutender-es Werk, das
in so grosser Stylverwandtschaft mit jenem steht, dass
man beide einem und demselben Meister zuschreiben zu
miissengeglaubt hat, die goldene Pforte zu Freibergöß].
m] Vgl. vollständige Abbildungen bei Puttrich a. a. O. Bd. I,
Abth. I, die des Bogenfeldes in E. Förster, Denkmale deutscher Bau-
kunst u. s. w. 1853, und die kritischen Bemerkungen von Waagen, in
dessen K. und K. W. in Deutschland I, S. 7.