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Französische
Plastik.
geprüften Regeln eines festen Styles. Auch bewegten sich
ihre Aufgaben in dem Kreise hergebrachter Gedanken und
Gestalten und forderten weder die Ausbildung heroischer
Formen, noch die von Idealen, wie sie die griechische
Kunst erzeugte. Die Art der Compositionen hätte solche
Gestalten nicht einmal geduldet; der christliche Gedanke
sowohl, als die architektonische Einrahmlnig gaben dem
Ganzen immer, wie ich schon früher gezeigt habe, einen
mehr malerischen Zusammenhang, in welchem die einzelnen
Gestalten sich nicht in freier Kraft isoliren durften, son-
dern stets in hinweisender Beziehung auf einander und
auf den heiligsten Mittelpunkt der ganzen Gruppe stehen
mussten. Die Künstler waren daher auf theils typische,
theils doch wiederkehrende Motive und Charaktere geist-
licher Würde, frommer Demuth, hingebender Innigkeit
hingewiesen. Aber dennoch war der Abstand von der
Erhabenheit des Erlösers und der Reinheit der Jungfrau
bis zu den Verdammten und Teufeln, und die Schwierig-
keit, diese Gegensätze in Harmonie zu bringen, so gross,
dass man den Muth und die Umsicht, mit Welcher diese
Künstler ihre Aufgabe zu lösen und selbst die stets wie-
derkehrenden Motive mannigfaltig und individuell zu be-
handeln Wussten, nur bewundern kann. Es ist wahr, dass
sie dabei in manchen Beziehungen nicht so tief und gründ-
lich zu WVerke gingen, wie die antiken und modernen
Künstler. Sie hatten weder wie jene ein durch die Anschauun-
gen eines freien Volkslebens geübtes Auge, noch machten
sie wie diese anatomische und psychologische Studien. Die
Körperverhältnisse ihrer Gestalten sind nur im Allgemeinen
richtig, die Arme oft zu dünn oder zu klein, die Hüften
zu hoch oder zu niedrig; im Ausdrucke des Leidenschaft-
lichen fehlt ihnen das richtige Maass, in der Ausprägung
der Charaktere die volle Bestimmtheit. Aber diese Mängel