Fruchtbarkeit
und
Mannigfaltigkeit.
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Zweifel nicht von den Meistern der Bauhütte, sondern von
gelehrten Geistlichen festgestellt; aber dennoch blieb der
Ausführung noch ein weites Feld der Erfindung, und man
muss die geistige Kraft und künstlerische Gewandtheit
bewundern, mit Welchen diese schlichten Werkleute auf
den Gedanken einzugehen, ihn in räumliche Verhältnisse
zu übersetzen und jeder Gestalt die richtige Stelle und den
ihr zukommenden Ausdruck zu geben wussten. Dazu
kommt der gewaltige Umfang dieser Arbeiten. Jedes der
grösseren Portale enthielt in kolossalen Statuen, Statuetten
und Reliefs an zweihundert Figuren Ü; erwägt man nun,
dass an den Kathedralen zu Paris und Rheims fünf, an
der zu Amiens, weil das eine unausgeführt geblieben ist,
vier, an den Kreuzfagaden der Kathedrale zu Chartres aber
sechs solcher Portale und zwar diese noch mit weiten
Vorhallen innerhalb dieses Jahrhunderts plastisch geschmückt
sind, dass dazu ausserdem die vielen und kolossalcn Sta-
tuen der Gallerien an der Faeade und der Strebepfeiler, die
plastischen Thiergestalten der Regenrinnexi und Anderes hin-
zukam, so kann man nur über die Fülle künstlerischer
Kräfte und die Leichtigkeit der Conccption erstaunen, welche
dieser Zeit zu Gebote stand. Freilich kam den Künstlern
dabei Manches zu statten; sie waren nicht von dem Ehr-
geiz beunruhigt, Ausserordexltliches und 'l'adelfreies zu
leisten, sondern arbeiteten unbefangen und mit der Be-
scheidenheit des Handwerks nach wohlbekannten und viel-
h) Die Berechnung ist leicht. Schon bei einem Portale mit nur
vier Archivolten enthalten diese 62 Statuetten, von denen manche auch
3118 zwei Figuren gebildet sind; dazu kommen dann die Figuren der
Reliefs und die Statuen, welches alles z. B. an dem Portal des süd-
lichen Krenzschiffes der Kathedrale von Amiens (Jonrdain et Duval,
16 portail St. Honore, 1844) 183 menschliche und 15 thierische Ge-
stalten ergiebt. Bei sechstheiligen Portalen, wie an den Westfaqaden
von Amiens und Rheims, ist die Zahl natürlich griisser und über 200.
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