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Französische
Plastik.
fällt in einer Locke, die ungefähr einem S gleicht, auf
beiden Seiten gleichmässig herunter. Die Frauen sind alle
in langen Gewändern, mit dem Gürtel über den Hüften,
das Haupt mit einem Schleier bedeckt, der bald gerade
herunterfallt, bald über der Brust zusammengelegt ist; das
Haar in dünneren Locken herabhäilgend. Körper und Ge-
sichter sind voll und kräftig gebildet, das Gewand in starke
geradlinige Falten gelegt. Man sieht, dass die Künstler
ihre Aufgabe nicht sehr schwer genommen, sich nament-
lich nicht bemüht haben, einen grossen Gedankenreichthum
zu zeigen. Dass dennoch alle diese Gestalten so würdig,
so frei und natürlich sind, beweist, wie gross schon jetzt
die Festigkeit und Gleichmässigkeit des Styls war. Die
ersten Gräber, bei denen die Künstler die Bestatteten ge-
kannt haben konnten, sind die der beiden jung verstorbe-
nen Prinzen Philipp, Bruder 1221), und Ludwig, Sohn
Ludwigs IX. 1224). Sie sind offenbar mit grösserer
Wärme behandelt, der Contrast der jugendlichen Köpfe
und reichen Gewänder mit der Ruhe des Todes, die Innig-
keit, namentlich des letzteren, der mit gefalteten Händen
betend (largestellt ist, geben den Eindruck, den die Auf'-
gabe forderte; das Trauergefolge an den WVänden der Sar-
kophage zeigt den Schmerz in lebendigen und mannig-
faltigen Aeusserungen. Aber die Köpfe der Prinzen selbst sind
ziemlich unbestimmt; das Schönheitsgefühl war mehr ge-
fördert als das Streben nach Individualität. Die ersten
Gräber, welche den Eindruck von Porträtwahrheit geben,
sind die Philipps III., des Kühnen 1285), und seiner
Gemahlin Isabella von Aragonien 1271). Die 'l'racht
des Königs ist noch fast dieselbe wie auf den Gräbern
der früheren Dynastien, aber der Kopf spricht bei nicht
gerade schönen Zügen, starken Backenknochen, grossem
Munde und gespaltenem Kinne den Character des Königs,