Volltext: Geschichte der bildenden Künste im Mittelalter: Entstehung und Ausbildung des gothischen Styls (Bd. 5 = [2], Bd. 3)

Strenger 
Styl. 
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alle Kennzeichen des früheren byzantinisirenden Styls. Die 
Sculptur war bisher in diesen Gegenden noch wenig geübt, 
ihre Leistungen scheinen sich auf die rohen Thiergestalten 
und Köpfe, welche als Consolen dienten, beschränkt zu 
haben. Es ist daher nicht unwahrscheinlich, dass die Er- 
bauer jener Kirchen, indem sie das Bedürfniss plastischen 
Schmuckes empfanden, sich, wie dies Wenigstens Suger 
nach seinem Berichte in allen Kunstzweigen that, der Hülfe 
fremder herbeigerufener in der Plastik erfahrener Künstler 
bedient, und diese aus der nächsten plastischen Schule, 
also aus Burgund und dem südlichen Frankreich genommen 
haben werden, wo, wie wir früher gesehen haben, strenge, 
byzantinisireilde Formen üblich waren. Allein jedenfalls 
kann dies die Eigenthümlichkeiteil dieser nordischen Sculp- 
turen nicht völlig erklären, da ihr Styl in der That ein 
anderer und noch strengerer ist, als jener südliche. Auch 
lassen die Formen keinen Zweifel, unter welchem Einflusse 
sie entstanden sind; der architektonische Sinn, der in diesen 
Gegenden so mächtig war, bemächtigte sich hier auch der 
Plastik. Die übermässige Länge der Gestalten hängt damit 
zusammen, dass die Säulen der Portalwände schlanker ge- 
worden sind, sie sind gleichsam mit diesen empor-geschos- 
sen; die Falten der Gewänder sind entweder senkrecht oder 
parallel, wie die Kannellureil der Säulenschäfte, oder fast 
horizontal sich wiederholend. Es waren Bauleute, welche 
den Meissel handhabten, und auch hier sich von dem Ge- 
setze des WVinkelmaases nicht losreissen konnten. Freilich 
machen nun diese dünnen, ausgereckten Gestalten mit 
ihren wenig belebten, herabhängenden Köpfen auf uns den 
Eindruck ascetischer Abtödtung; aber gewiss war dieser 
nicht beabsichtigt. Weder Sugers Bericht lässt darauf 
schliessen, noch dürfen wir es bei den Arbeitern voraus- 
setzen. Allerdings war die Tradition typischer Würde bei
	        
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