Ihre
Bedeutung.
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(lert; auch er möchte alle Pracht und allen Glanz in der
Kirche vereinigen. Offenbar hängt seine künstlerische Be-
geisterung mit einem Warmen Gefühle für die heitere Schön-
heit der Natur zusammen. Freilich ist sie nicht Gegenstand
und Aufgabe seiner Kunst; diese beschäftigt sich nicht mit
der gemeinen, irdischen Welt, sondern mit einer verklärten,
deren Vorstellung sie in der Seele des Beschaners hervor-
rufen will. Aber die Farben dieser verklärten Natur nimmt
sie eben aus der Wirklichen. Theophilus will ausdrücklich,
dass der Beschauer der Kirche die Wunder Gottes in der
Schöpfung preise; er erinnert an die Blumen des Früh-
lings, an das Grün in Wäldern und Thälern, er ver-
Schmähet es nicht, den Glanz eines schillernden Gewandes
zur Vergleichung heranzuziehen. Wenn das Mittelalter kein
scharfes Auge für das Einzelne der Natur hatte, Weil es
darin nur symbolische Beziehungen suchte, so War es doch
höchst empfänglich für das Ganze der natürlichen Erschei-
iluxig, für den reichen Farbenglanz, der mit tausendstim-
migem Chore den Schöpfer preist und die Menschenseele
erfreut, und wusste die leuchtendsten Farben, die kräftig-
sten Töne aus der Natur in das künstlerische Werk zu
übertragen. Diese Farbenlust War das vermittelnde Element
Zwischen der kirchlichen Strenge und der überströmenden
Jugendkraft des Zeitalters. Gerade durch diese Verbin-
dung wurde die Kunst des Mittelalters so stark und so
Wirksam; sie War erhaben und doch populär, der streng-
gläubige ernste Mönch und der lebensfrohe, jugendlich
kräftige Laie, die seholastische Kirchenlehre und Symbolik
lllld die Naturgefühle, Welche den ritterlichen Sänger er-
füllten und im Volksliede einen ahnungsvollen Ausdruck
hatten, fanden in ihr gleiche Befriedigung; alle Extreme
Waren in dem wunderbaren Accorde ihrer vielfarbigen Pracht
verschmolzen
und
versöhnt.