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Glasmalerei.
Vortrefflichkeit der wenigen erhaltenen Glasgemälde als die
lange Blüthe der Wandmalerei. Wir kommen daher zu
dem bemerkenswerthen Resultate, dass in Frankreich die
neue Gattung, in Deutschland die ältere Kunst der WVand-
malerei die grössere Neigung für sich hatte. Und dies
erklärt sich denn auch schon vollkommen aus der Bauge-
schichte beider Nationen, obgleich es noch tiefere Gründe
haben mag. Der gothische Styl forderte und begünstigte
die Fenstermalerei, Während er jener anderen Kunst die
Wandflächen entzog. Dem romanischen Gebäude war da-
gegen der Farbenglanz der Glasgemälde nur ein, wenn auch
erwünschter, doch entbehrlicher Schmuck, Während er, ab-
gesehen von der Schwierigkeit das Glas unbeschadet der
Zeichnung in den grossen ungetheilten Fenstern zu festigen,
mit der hergebrachten Wandmalerei nicht wohl harmonirte.
Neben den durchglänzten prachtvollen Farben des Glases
erscheinen VVandgemälde, namentlich nach der Technik des
dreizehnten Jahrhunderts, matt und trübe, während wiederum
ihre strengere und durchbildetere Zeichnung die Unvoll-
kommenheiten jener schwierigen Technik auffälliger macht.
Es ist daher begreiflich, dass die Deutschen, so lange
ihre Bauwerke mehr" den romanischen Charakter trugen,
die Kosten reicher ausgestatteter Fenster sparten und sich
mit dcn trüben kleinen Scheiben, welche die damalige
Glasfabrikation bot, begnügten, um ihre Wände mit ernste-
ren Kunstleistungen zu schmücken.
In England hat der puritanische Eifer von CromwelPs
Soldaten so gründlich aufgeräumt, dass man sich nicht
Wundern kann, wenn die Zahl der Ueberreste dieser zer-
brechlichen Gattung gering ist. Indessen ist es wahr-
scheinlich, dass schon unter Heinrich II. und Eleonore,
welche wir bereits als Stifter von Glasgemälden kennen
gelernt haben, diese Kunst aus ihren französischen Pro-