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'l'eppiche.
behandelt 3), vielleicht hatte daher der Zeichner ein älteres
Vorbild, aus dem er das Kostüm entlehnte; aber nicht
bloss (lieses, sondern die ganze Auffassung und Ilaltung
verrät-h Verständniss und Sinn für die Schönheit der an-
tiken Kunst. Die Zeichnung des Nackten ist frei, richtig
und nlässig, der Faltentvurf einfach und entsprechend, die
Gebehrden sind anmuthig und würdig, einige Gestalten
von wahrhaft überraschender und ausgezeichneter Schön-
heit. Besonders gilt dies von zwei Stücken dieses Tep-
pichs, von dem, auf welchem sich Mereur selbst und unter
anderen Gestalten auch die Psyche (hier Sichern geilannt),
und von (lem, worauf sich Pudieitia, Fortitudo und Pru-
dentia belinilen, während die anderen zu (lemselben Teppich
gehörigen Stücke weit geringer und offenbar nach Vor-
zeieluumgeil eines anderen Meisters gearbeitet sind. Die
Behandlung ist auch dadurch interessant und lehrreich, dass
sie zeigt, wie diese vorübergehende Belebung der antiken
Form dazu dienen konnte, den Uebergang von der byzan-
tinisirenden VVeise zu dem späteren, am Ende der Epoche
aufkommenden Style zu bilden. Indem nämlich der Künstler
die unnatürliche und unerfreuliche 'l'roekenheit jenes älteren
Styles vermeiden, frischeres und volleres Leben geben will,
indem er hierbei die Antike im Auge hat, geht er doch
schon über das Maass derselben hinaus, und streift an jene
breitere, sinnliehere Form, die in der Sculptilr des gothi-
schen Styles ihre Ausbildung erhielt.
Frankreich und England sind an Ueberresten der
Malerei aus dieser Epoche viel ärmer als Deutschland, viel-
i) In Ekkehanfs Oasus Sti. Galli (Pertz Monumentn, Vol. II)
wird erzählt, dass die Herzogin Hedwig im zehnten Jahrhundert dem
Kloster einen Teppich mit demselben Gegenstande geschenkt habe.