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Das
nördliche
Frankreich.
Den Ausgangspunkt für diese spätere künstlerische
'l'hätigkeit bildete allerdings die Vermischung südlicher und
nördlicher Styleig-enthümlichkeiten, welche seit dem Beginne
des zwölften Jahrhunderts in diesen Gegenden ganz von
selbst, durch ihre geographische Lage eintrat. Die Klöster
nahmen vermöge ihrer Verbindung mit den grossen Ordens-
häuseril Burgunds, namentlich mit Cluny, bei ihren Kirchen-
bauten die grossartigerc Anlage, die dort aufgekommen
War, zum Vorbilde. In den südlichen Theilen unseres
Gebiets schlossen sie sich denselben unbedingt an. S0 ist
die Klosterkirche von Preuilly (Prulliacum) an der Süd-
spitze des Gebiets von Tours völlig den burgumlischen
Kirchen gleich, im Mittelschiffe ein lbnnengeivölbe mit
regelmässigen Quergurten, in den Seitenschiffcrl halbe
lbnnengewölbe; viereckige Pfeiler mit angelegten Halb-
ersten Andeutungen des richtigen Verhältnisses hatte schon der früh-
verstorbene Engländer Whittington [An historical survey cf the
ecclesiastical antiquities of France, London 1809, 40 und 1811 80)
gegeben. Vollständigeres lieferte Mertens in seinen in Düsseldorf im
J. 18-11 gehaltenen Vorlesungen, deren Inhalt in dem bereits eingeführ-
ten Aufsatze: Paris baugesehichtlich im Mittelalter, in der Wiener Bau-
zeitung 18-13, p. 159, und 18-17, p. 62 weiter ausgeführt ist. Seine
Annahmen sind im Allgemeinen richtig, obgleich in übertreibender
Sprache vorgetragen, im Einzelnen weiche ich, wie eine Vergleichung
ergiebt, vielfach von ihm ab. Eine neue bedeutende Erscheinung ist
der erste Band des Dllftlüllllillfe raisonne de Parehitccture franeaise du
XI. au XVI. siecle von Violet le Duc, welcher in den Artikeln:
Arc-boutant und Architecture höchst bedeutende Bruchstücke einer
Geschichte der französisch-gothischen Architektur enthält. Der Ver-
fasser, welcher als praktischer Baumeister eine grosse Zahl der Restau-
rationsbauten mittelalterlicher Kirchen geleitet hat, ist dadurch mehr
als Andere befähiget, über die Zwecke und Mittel der ursprünglichen
Erbauer zu urtheilen und belegt seine Annahmen mit vortrefflichen und
anschaulichen Zeichnungen. Er stimmt, soweit er dieselben Gegen-
stände berührt, mit meinen Ansichten im Wesentlichen überein, berück-
sichtigt jedoch, wie mir scheint, die technischen Zwecke zu ausschliess-
lieh, und folgt in Beziehung auf die Datirung der Monumente ausser
bekannten und inschriftlichen Daten nur seinem Stylgefiihl.