Mischung
der
Provinzialstyle.
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diesen Ländern gefunden Wird, die vortheilliaftesten Mittel
gewährte.
Das Resultat aller dieser Elemente ist der gothisclie
Styl in seiner primitiven, in Frankreich ausgebildeten Ge-
stalt. YVir können an ihm die einzelnen, aus den bisheri-
gen Systemen der Normannen und der Provenzalen ent-
lehnten Bestandtheile aufzeigen. Aus südlicher Quelle und
zum Theil aus antiker Reminiscenz stammt die volle Anord-
nung des Chors mit seinem Umgange, die Ausbildung der
Säule und des Kelehkapitäls, überhaupt im Gegensatze
gegen den normannischen Styl die Neigung für plastische
Rundung, für feineres und freies Ornament, für das Vege-
tabilische, endlich auch der Spitzbogen. Der nordischen
Architektur dagegen verdankt er das Kreuzgewölbe, die
regelmässige Anordnung des Ganzen, namentlich der Faeatle
mit ihren 'l'l1ürmen, die gleichmässige senkrechte Gliede-
rung der lllauerflächen, die rüstige, aufstrebende Leben-
digkeit. Dennoch ist dieser Styl keinesweges eine blosse
Compilatioir; jene entlehnten Einzelheiten dienten nur als
vorbereitende Studien, Welche durch die künstlerische Kraft
dieser centralen Gegenden zu einem organischen Ganzen
verschmolzen wurden und in dem neuen Systeme eine ganz
andere Bedeutung erhielten als sie bisher gehabt hatten.
E!" War vielmehr eine neue Erfindung, die aber nicht plötz-
lißh als gerüstete Minerva aus dem Haupte eines einzelnen
lilßisvters llervßrsprang, sondern als das Erzeugniss verein-
ter Kräfte langsam und allmälig reifte
i") Im Allgemeinen beziehe ich mich über die Literatur der fran-
zösischen Archäologie auf die bereits Band IV. Abth. 2. S. 253 ge-
nannten Werke. Eine genauere Darstellung des Entwickelungsganges
dieser nordfranzösischen Bauschule ist von den französischen Schrift-
stellern überall noch nicht gegeben, obgleich sie im Allgemeinen über
ihre Bedeutung und den Hergang einverstanden sind und im Einzelnen
auch wohl die allmälige Veränderung gewisser Formen nachweisen. Die
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