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Deutsche
Wandmalerei.
voransgeschauten Kirche, offenbar liegt aber die Absicht
zum Grunde, dem weiblichen Element, welches am Ziele
der Prophetenreihe erscheinen sollte, schon hier einen
Ausdruck zu geben, das Ende am Anfange schon male-
risch anklingen zu lassen. Die Propheten erscheinen als
ernste, würdige, meistens bärtige Männer, fast alle in ru-
higer Haltung, doch auch einige in lebhaftem Vorschreiten,
mit stets veränderten Motiven der Stellung und des Falten-
wurfes, dessen Bedeutsamkeit und Schönheit bewunderns-
würdig ist. Nur eine der Gestalten hat nicht die langen,
weiten, feierlichen Gewänder der übrigen, sondern engan-
schliessende, bis zu den Fussspitzen hinabreichende, mit
goldenen Stickereien verzierte Beinkleider, einen kurzen,
über der Hüfte gegürteten Rock, der sich über dem
Schenkel des zurücktretenden rechten Beines öffnet, und
einen goldgesäumten Mantel von gleicher Länge, das Haupt
mit einer niederen Tiara bedeckt. Es ist der Prophet Da-
niel und seine 'l'racht, ganz wie an der goldenen Pforte
in Freiberg, ein Nachklang der sogenannten phrygischen,
also eine antike Reminiscenz, aber in einer dem Geschmacke
ritterlicher Eleganz angemessenen Auffassung. Durchweg
zeigen also diese Malereien in der stylvollen, ruhigen Hal-
tung der Figuren, in den einfachen und statuarisch gerad-
linigen Umrisslinien schon einen Einfluss des gothischen
Styles, zugleich aber den feinen Schönheitssinn der säch-
sischen Schule und Spuren antiker Tradition, welche diese,
wie wir es auch in der Sculptur finden werden, länger als
irgend eine andere bewahrte.
Deutlicher und in anderer Weise bemerken wir den
Einfluss des gothischen Styles in den gekrönten Gestalten,
welche je eine auf jedem Pfeiler der Klosterkirche zu
Memleben, Männer an der Nord- und Frauen an der
Südseite, unmittelbar auf den Stein, ohne Bewurf gemalt