648
Französische
Miuiaturmalerei.
ist aber ein bilderreicher Psalter (Suppl. lat. 636), welcher
nach einer darin befindlichen, späteren, aber sehr glaub-
haften Notiz für Ludwig den Heiligen gefertigt war ä).
Das Manuscript, ein Octavband, enthält zunächst auf '76
Blättern die biblische Geschichte von Abel und Kain bis
zur Krönung Sauls, gleichsam als Einleitung zu den Psal-
men, deren Text darauf folgt und nur mit zum Theil hi-
storiirten Initialen verziert ist. Alle jene Blätter haben den-
selben Hintergrund, eine zierliche Architektur reinsten go-
thisehen Styls, in den Details auffallend an die Sainte Cha-
pelle von Paris erinnernd, zwei Spitzbögen, deren Mittel-
pfeiler dazu dient, die zwei historischen Momente, die auf
den meisten Blättern zusammengestellt sind, zu scheiden.
Die Leisten dieser Architektur und die Gründe hinter den
Figuren sind golden, die Farben harmonisch und von kräf-
tigem dunklen Ton, aber in geringer Zahl und oft wieder-
holt. S0 ist jene Architektur stets azurblau und bräunlichroth
und zwar dergestalt von Blatt zu Blatt wechselnd, dass
jede beider Farben einmal den Fenstern, und dann den
Füllungen gegeben ist, und ebenso kehren dieselben Farben
mit gleicher Abwechselung an den Gewändern wieder. Die
Gesichter sind weisslich mit aufgesetzter Waugenröthe,
1') Die wesentlichen Worte dieser Notiz lauten: Cest psaultricr
fu saint Loys et le donna 1a reyne Jehanne au roy Charles filz du
roy Jehan Pan de nres. 1369 et Ie roy Charles le donna a madame
Marie de France sa iille religieuse a Poyssi. 1400. Die Schrift scheint
aus dieser letzten Zeit zu sein, und es ist durchaus glaubhaft, dass sich
im Königlichen Hause eine richtige Tradition über die Schicksale des
kostbaren Buches erhalten hatte. Auch giebt der Styl der Miniaturen,
wenn er auch einen Uebergang von dem des dreizehnten zu dem des
vierzehnten Jahrhunderts bildet, keine dringende Veranlassung, ihre
Anfertigung mit Waagema. a. 0. S. 301 erst gegen 1300 zu setzen,
da man annehmen darf, dass für den König ein ausgezeichneter Arbei-
ter ausgewählt wurde, dessen Weise später Nachahmung fand. Mehrere
Gründe, welche die Annahme des Ursprungs unter Ludwig IX. unter-
stützen, werde ich im Texte anführen.