Volltext: Geschichte der bildenden Künste im Mittelalter: Entstehung und Ausbildung des gothischen Styls (Bd. 5 = [2], Bd. 3)

644 
Französische 
liliniaturmalerei. 
ter, mit feinerer Behandlung der Farben, geringeren Ver- 
stössen der Zeichnung  dagegen aber auch minder aus- 
drucksvoll und lebendig. Das Bestreben nach formaler, 
technischer Eleganz ist hier stärker als in Deutschland, das 
Bediirfniss individueller, geistiger Aeusserung geringer. Die 
Guaschlnalerei ist hier gleich vom Anfange der Epoche an 
häufiger angewendet und besser ausgebildet, aber die typi- 
schen Gestalten haben nicht die ergreifende Würde, die 
allegorischen Darstellungen nicht die Tiefe, die Initialen 
nicht den phantastischen Reichthum und freien Schwung 
der Linien, wie in den deutschen Miniaturen. Dagegen 
bemerkt man in der Haltung der Figuren frühe das Gefühl 
für Anstand und Zierlichkeit, in dcn Genrebildern und ko- 
mischen Figuren, welche hier schon häufiger vorkommen, 
eine behagliche Heiterkeit. Dies alles finden wir schon in 
der Chronik des Klosters Cluny, welche von 1188-1215 
fortgesetzt ist, in einem aus dem ersten Drittel des drei- 
zehnten Jahrhunderts stammenden Psaltcr, Welcher der 
Mutter Ludwigs IX. angehört haben soll, in einem etwas 
späteren Psalter, wo die statuarische Haltung der Figuren 
und die den Glasgemältlen ähnliche Anordnung dcr Gruppen 
schon einen Einfluss der gothischen Architektur zeigt, und 
endlich in einer etwa um 1'250 geschriebenen französischen 
Uebersetzung der Apokalypse wir). In dieser ist etwas mehr 
dramatisches Leben, aber wir vermissen doch auch hier 
1') Einen Psaltcr von 1209 -1'2ÖO, der in Frankreich, aber nach 
den darin vorkommenden Heiligen für England gemalt ist, jetzt im 
brittischen Museum (Addit. 16,975] schildert Waagen in der englischen 
Bearbeitung seines Reisewerks (Treasures of Art in Great Britain, Lon- 
don 1854. V01. I, p. 111) als eine ausgezeichnete Leistung dieser Art. 
w) Vgl. über diese und die später erwähnten Manuscripte ans- 
führlichere Nachrichten, freilich aber auch zum Theil von den meinigen 
abweichende Urtheile bei Waagen, K. und K. in Frankreich III, 234 ff- 
Die zweite der genannten Handschriften befindet sich in der Bibliothek 
des Arsenals, die übrigen sind in der grossen Bibliothek zu Paris.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.