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Deutsche
Miniaturen.
gültigen, stylgerechten Behandlung geopfert. Man muss
diese Aenderung zunächst der Richtung zuschreiben, welche
die Architektur und die von ihr geleitete Plastik dem Ge-
schmacke gaben; doch mögen auch andere Umstände darauf
eingewirkt haben. Die Klöster, in denen die Miniatur-
malerei bisher ihren Sitz gehabt hatte, waren nicht mehr
die Stätten der regsten Kunstthätigkeit; das städtische Ge-
werbe hatte sie überflügelt, sie empfingen aus zweiter Hand.
Ueberdies waren die Benediktiner erschlafft, die Cistercien-
ser der Kunst weniger geneigt, sogar von eigener Aus-
übung derselben durch ein ausdrückliches Verbot abgehal-
ten, die Bettelorden durch ihre ganze Stellung nicht dazu
geeignet. Endlich hatte auch die Wissenschaft statt der
der Kunst günstigen Richtung auf klassische Literatur die
scholastische angenommen und beschäftigte die begabten
Geister auf einem anderen Felde. Daher erklärt sich auch,
dass die Zahl deutscher Miniaturwerke aus dieser Zeit
geringer ist und dass nur Wenige sich durch reichere Pracht
auszeichnen. Zu den grösseren und bestimmt datirten Hand-
schriften dieser Art gehört eine Bibel in vier Bänden in
der Bibliothek zu Würzburg (fol. max. Nro. 9], Welche
nach der darin enthaltenen Inschrift im Jahre 1'246 von
den Mönchen des dortigen Dominikancrklosters geschrieben
und auf Kosten des Abtes mit derben, aber geistlosen
Miniaturen auf Goldgrund geschmückt wurde, dami eine
andere Bibel in zwei Foliobänden auf der Gymnasialbiblio-
thek zu Coblenz, die im Jahre 1281 vollendet wurde, und
deren Miniaturen Kugler einfach, strenge, meist geradlinig,
statuarisch in gothischer Weise, aber ziemlich roh fand
Etwas besser sind die Zeichnungen in der Sammlung von
Minnelieilern aus Kloster Weingarten in der königlichen
Privatbibliothek zu Stuttgart, die jedenfalls älter ist als der
Kleine
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Schriften