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Deutsche
Miniaturen.
lebendig, die Reiter mit gesenkten Fussspitzen in guter,
ritterlicher Haltung. Die Erfindung ist phantastisch keck,
doch auf möglichste Verständlichkeit berechnet. Das rothe
Meer ist wirklich dunkelroth gefärbt, die dreihundert Wölfe
mit brennenden Schwänzen in der Geschichte des Samson
sind Wenigstens durch sechszehn in vier Reihen aufgestellte
Thiere repräsentirt, an denen die Flammen durch Weisse
Streifen mit rothen Rändern dargestellt sind. Die Färbung
ist im Anfange und Ende des Codex sehr leicht und oft
graciös, in der Mitte voller aber schwerer. Tracht und
Zeichnung lassen darauf schliessen, dass die Arbeit noch
vor 1250 gefertigt sei Sehr anschaulich wird der
Gegensatz zwischen der Zeichnungsmanier und den wirk-
lichen Malereien, wenn Arbeiten beider Art in demselben
Manuscript zusammenstellen, wie in dem grossen Antipho-
nale des St. Petersstiftes zu Salzburg, wo die Federzeich-
nungen als zart und geistvoll geschildert werden, während
die auf planirtem Goldgrunde mit fetten Guaschfarben aus-
geführten Gemälde ihnen nachstellen
Bald
nach
der
Mitte
des
Jahrhunderts
trat
indessen
eine Veränderung ein, welche ohne Zweifel mit dem Auf-
kommen des gothischen Styls zusammenhängt, aber keines-
weges unbedingt vortheilhaft ist. Sowohl diese kecken,
dilettantischen aber ausdrucksvollen Federzeichnungen, als
die kräftige, harmonische Guaschmalerei verschwinden, und
an ihrer Stelle tritt eine neue Manier, welche gewisser-
maassen zwischen beiden die Mitte hält. Die mit festen,
s] Vgl Waagen im deutschen Kunstbl. 1850, S. 148, von
in so weit abweiche, als er die Jahre 1260 1280 annimmt.
ich
dem
aß] Vgl. über diesen Codex, der nach ziemlich zuverlässigen,
historischen Zeichen um die Mitte des Jahrhunderts entstanden sein
muss, eine ausführlicha Beschreibung von G. Petzold im deutschen
Kunstblatt, 1852, S. 301.