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Frankreich.
ihnen gestifteten Schulen. Unter ihnen hatte Anselm, der
Begründer der scholastischexl WVissenschaft gelebt, welche
auch ferner ihre Jünger hauptsächlich aus diesen nördlichen
Gegenden erhielt. Im Süden dagegen War bei geringerer
Gelehrsamkeit und Tiefe mehr allgemeine Bildung, Anwen-
dung des Gedankens, Redefertigkeit. Das mittlere Frank-
reich verarbeitete auch hier wieder diese Elemente, gab der
Philosophie Methode, machte sie populär und leicht zu-
gänglich und ergriff sie mit jenem leidenschaftlichen
Eifer, Welcher, nach dem Ausdrucke eines Zeitgenossen,
auf allen Kreuzwegen den Streit der Disputationen ertönen
liess. Unter den hervorragenden Meistern sind mehrere
Italiener, Engländer und Deutsche, aber die grosse Menge
stanlmt aus Frankreich. Jedenfalls fand die Scholastik
nirgends so anhaltende Pflege als hier. Durch ihren Ein-
fluss aber nahmen auch alle anderen Wissenschaften einen
populären Anstrich, eine encyklopärlische Gestalt an. Paris
wurde bald der ausschliessliche Sitz der Gelehrsamkeit,
die Wissbegierigen aller Länder strömten dahin als zu der
Quelle, es wurde schon jetzt zur VVeltstadt. Alle Natio-
nen erkannten in dieser Beziehung die Superiorität der
Franzosen an ade); Paris erlangte eine sagenhafte und sprüch-
a] Johannes von Salisbury spottet über diese schnell zu erwer-
bende Gelehrsamkeit. Fiebant repente summi philosophi; nam qui
illiteratus accesserat non morabatur ulterius in scholis, quam eo curri-
culo temporis, quo avium pulli plumescuut.
Otto von Freisingexl (praef. in lib. 5. Chron.) bemerkt, dass
um diese Zeit die Wissenschaften nach Gallien übergegangen seien.
Oaesar von Heisterbach (Dialogi lib. 5. c. 22): In Parisiense civitate,
in qua est fons tntius seientiae et puteus divinorum scriptorum. Kein
Wunder dass die Franzosen selbst sich noch emphatischer ausdrücken.
Jacobus de Vitriaco1Q44] Hist. nccid. c. 7.: Oivitas Parisiensis
fons hortorum et puteus aquarum vivarum, irrigabat universae terrae
superflciem, panem delicatum et delicias praebens regibus et nniversae
Ecclesiae super mel et favuxn ubera dulciora propinans.