Böhmische
Schule.
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Sehr merkwürdig ist endlich eine Bilderbibel in der fürst-
lich Lobkowitüschen Bibliothek zu Prag, in welcher sich
ein Laie VVelleslaus als Stifter oder Maler nennt, und in
der bei einer phantastischen Auffassung der heiligen Gegen-
stände auch jene leichte und phantastische Zeichnungs-
manier durchgeführt ist. Das Werk besteht nur aus Bil-
dern mit Inschriften, ohne weiteren 'l'ext, im Ganzen in der
Ordnung der Bibel, doch so, dass nach dem Buche der
Könige eine unbiblische Geschichte des Antichrists, eine
Art Merlinssage, eingeschaltet ist. Satan äfft darin das
göttliche Erlösungswerk nach, ein Engel der Verkündigung,
aber mit Krallenfüssen, erscheint nicht einer reinen Jung-
frau, sondern einem schon in sündlicher Umarmung be-
grilfenen Liebespaare; in Babylon wird dann der Antichrist
geboren, Teufel leisten die Geburtshülfe, er unterwirft sich,
aber schon erwachsen, der Beschneidung, lässt sich als
Gott anbeten u. s. f. Dann werden wir sogleich in die
Mitte der evangelischen Geschichte eingeführt, welche mit
apokalyptischen Scenen schliesst, und an die sich die Ge-
schichte der Einführung des Christenthums in Böhmen und
das Martyrium des h. Wenzeslaus anschliesst. Der Codex
iSt also in Böhmen entstanden und zeigt, da man in der
grossen Zahl von mehr als 700 Bildern verschiedene Hände
erkennt, dass sich hier eine jener benachbarten bayerischen
Verwandte Schule gebildet hatte. Es sind leichte, aber
flüssige Federzeichnungen, die durch stärkere und schwächere
Linien den Unterschied des äusseren Umrisscs und der
inneren Gliederung andeuten, mit höchst lebendiger drama-
tischer Bewegung, im Naturalistischen schon weitergehend
als jene ersterwähnten Werke. Der Schönheitssinn ist
auch hier keinesweges vorwaltend, Hände und Köpfe sind
ßft Zu gross, der Mund meist klein, und dann wieder, Wo
er zum Reden geöffnet ist, zu gross. Die Pferde sind sehr