Volltext: Geschichte der bildenden Künste im Mittelalter: Entstehung und Ausbildung des gothischen Styls (Bd. 5 = [2], Bd. 3)

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Deutsche 
Miniaturen. 
scheinen am Anfange des dreizehnten Jahrhunderts, viel- 
leicht selbst am Ende des zwölften entstanden. Sehr ver- 
wandter Art sind die Arbeiten des Mönchs Conrad aus 
dem ebenfalls bayerischen Kloster Scheyern, jetzt in der 
Bibliothek zu München. Der Text ist hier nicht eigentlich 
poetisch, sondern wissenschaftlichen oder religiösen In- 
halts; eine mater verborum, also ein Lexikon, eine Ab- 
handlung über die freien Künste, endlich die Evangelien, 
denen aber zwei phantastische Legenden beigegeben sind, 
die eine von einer sündigen, aber durch ihre Busse und 
den Schutz der Jungfrau geretteten Aebtissin, die andere 
die auch sonst oft dargestellte Geschichte des 'l'heophilus, 
eine Art Faustsage. Die Bilder beziehen sich meistens 
auf diese Legenden oder sind apokalyptischen Inhalts. Die 
Zeichnung ist hier sicherer, mehr naturgemäss, nicht ohne 
Styl- und Schönheitsgefühl, hat aber die eckigen Formen 
des Gesichts, die flatternden Gewänder und die dramatische 
Lebendigkeit mit jenen gemein. Auch wird die Zeit der 
Arbeit schon um die iMitte des Jahrhunderts fallen Den 
fortschreitenden Einfluss der ritterlichen Poesie erkennen 
wir in den Bildern des in der Schweiz geschriebenen 
Tristan der Münchener Bibliothek, wo die langgcstreckten 
Figuren, die etwas geschlitzten Augen, die zierlichen und 
maassvollen Bewegungen schon einen Ausdruck der Sen- 
timentalität des Geistes und ritterlicher Courtoisie geben M). 
w) Kugler a. a. O.  S. 84, wieder mit Zeichnungen. Aehnlich, 
nur minder bedeutend sind die Miniaturen einer dritten Handschrift der 
Berliner Bibliothek, welche Legenden und am Schlusse die Paraphrase 
des hohen Liedes von Willeram enthält. Auch sie scheint aus den bayeri- 
schen Gegenden zu stammen, wenigstens nennt sich darin in etwa gleich- 
zeitiger Schrift als Besitzer ein Godescalcus aus Lambach. Kugler 
daselbst, S. 7 und 37. 
M) Kngler a. a. 0., S. 88. Da die Handschrift nicht nur das Gedicht 
Gottfrieds von Strasburg, sondern auch die Fortsetzung des Ulrich von 
Türheim enthält, wird sie erst nach der Mitte des 13. Jahrh. entstanden sein.
	        
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