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Deutsche
Miniaturen.
neuer
Motive
steht
diese
Handschrift
ZVVHT
den
beiden
obenerwähnten, wahrscheinlich etwas jüngeren, nach, über-
trifft sie dagegen in der Ausführung, und besonders im
Schönheitsgefühle. Sehr eigenthümlich ist, wie hier nach
der Verschiedenheit der Gegenstände ältere, byzantinisirende
und neuere Formen wechseln. Der Kalender enthält bei
jedem Monate in der architektonischen Einrahmuilg unten
einen Apostel, oben wie gewöhnlich die angemessene
Wirthschaftsbeschäftigung5 jene sind von überaus langen
Proportionen, in der Gewandbehandlung und im Schnitte
des Kopfes völlig typisch, diese haben kurze Gestalten
und sehr genremässige Iilaltung. In den Bildern des Textes
hält die Zeichnung gewissermaassen die Mitte; sie schliesst
sich an die typische Auflassung an, verräth aber durch grosse
Einfachheit und Bestimmtheit einen Einfluss der Sculptur.
Am Schlusse des Buches endlich belinden sich die Bildnisse
des Landgrafen und der Könige von Böhmen und Ungarn,
jeder mit seiner Gemahlin, und zwar mit augenscheinlichem
Bestreben nach Porträtährxlichkeit.
Neben diesen Miniaturen, in welchen der neue Geist
sich nur gleichsam verstohlen und schüchtern änsscrt, kommt
dann jene zweite Klasse auf, in welcher er frei und unge-
hemmt, fast gewaltsam hervorbricht. Sie gehören alle zu
Izlandschriften ritterlicher oder geistlicher Gedichte, oder
beziehen sich auf Legenden von poetischer Tendenz oder
endlich auf die Apocalypse, durchweg also auf Schriften,
bei denen der Maler nicht durch die Ehrfurcht vor der
Tradition oder durch die Pflicht kirchlicher Pracht gebunden
war, und mit Gegenständen zu thun hatte, welche das
Gefühl erregten. Die technische Behandlung dieser Bilder
ist sehr anspruchlos, es sind blosse Federzeichnungen, zwar
in farbiger Einrahmung und auf farbigen Hintergründen,
aber theils nur durch den Wechsel schwarzer und rother