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Deutsche
Miniaturen.
tigen Farben, deren Gegensätze durch die Anwendung eines
glänzenden Goldgrundes gemildert und harmonisch ver-
schmolzen werden. Daneben bildet sich dann eine andere,
leichtere Manier, die besonders in wissenschaftlichen oder
poetischen Werken angewendet wird, indem die Zeichnung
hier nur leicht und mit wenigen Farben angetuscht, in den
Lichtern das Pergament ungedcckt gelassen ist. Und ge-
rade bei dieser leichteren, mehr dilettantischen Behandlung
bewegt sich die Empfindung am freiesten; wir sehen ein
oft erfolgreiches Bestreben, das dramatische Leben, die
geistigen Motive eindringlich darzustellen.
In Deutschland ist das wichtigste Denkmal aus der
Frühzeit der Epoche der von der Herrad von Landsperg,
Aebtissin des elsassischen Klosters I-lohcnberg oder St.
Odilien, in den Jahren 1159 bis 1175 geschriebene, jetzt
in der städtischen Bibliothek zu Strasburg bewahrte
I-Iortus deliciarum, eine Art Encyklopädie des Wis-
senswürdigsten, welche die Verfasserin ohne Zweifel zum
Gebrauche ihrer Nonnen aus vielen Schriftstellem zusam-
mengetragen hatte Nicht der 'l'ext, wohl aber die
zahlreichen und ausführlichen Bilder sind das eigene Werk
der Verfasserin, und man sieht deutlich, dass sie diese
als den wesentlichsten und nützlichsten 'l'heil ihrer Arbeit
betrachtete. Sie dienen nicht nur zur Belebung des tro-
ckenen Wortes, sondern recht eigentlich zur Erklärung
der darin enthaltenen Lehren. Sie begleiten daher jedes
Einzelne; so werden z. B. bei dem Gleichnisse vom Gast-
mahle die Gegenstände, durch welche die Geladenen sich
entschuldigen, der verkaufte Meyerhof, die fünf Joch Ochsen,
das Weib, welches der eine freien will, dargestellt. Oft
aber geht die Malerin auch weit über den Text hinaus und
V) Eine
giebt Chr. H.
Beschreibung und zahlreiche Abbildungen
Herrad von Landsperg, Stuttgart 1818.
gründliche
Engelhatdt,